#01 Ein Monat Café Riptide

Abstimmung: Vinyl oder CD

Einen Monat gibt’s das Café Riptide im Handelsweg jetzt. Betreiber sind, in alphabetischer Reihenfolge, André und Chris. Heute ist André hinter dem Tresen. An einem Dienstag Mittag ist noch nicht viel los – „die Haupt-Zeit ist Freitag Nachmittag und Samstag“, sagt André. Er macht einen Kafka, einen Kaffee mit Kakao. Hinter dem Tresen stapeln sich auch noch diverse Kartons. „Ist noch viel zu machen“, sagt er und macht noch viel.

Chris und er haben noch einiges vor, zum Beispiel wollen sie eine Glasvitrine mit Bagels aufstellen, mit denen sie die Schüler des Martino-Katharineums davon überzeugen wollen, ihren Kaffee mit Gebäck in der Pause doch lieber hier einzunehmen. „Da können wir gleich noch ein bisschen musikalische Früherziehung betreiben“, sagt André. Die Mandel-Marzipan-Muffins, die bereits unter einer durchsichtigen Glocke auf hungrige Gäste warten, hat diesmal nicht Chris zu Hause zubereitet. „Die habe ich hier im Ofen gebacken“, erzählt André, „der ist jetzt sauber, deswegen haben wir auch ganz neu Crêpes im Angebot.“

„Die Platten sind drin, die kannst du dir anhören, CDs geb ich dir raus“, sagt André zu Patrick. Patrick sucht elektronische Musik. André und macht LCD Soundsystem an. Patrick hört eigentlich alle möglichen Arten elektronischer Musik, „Techno, Trance, Minimal Electronic, Querbeet“, hat aber auf der anderen Seite eine riesengroße Sammlung von Michael Jackson, „weit über 100 Vinyl-Sachen“. Patrick ist 22, kommt aus Polen und ist Michael-Jackson- und John-Travolta-Imitator. Er unterrichtet das sogar, aber auch Hip-Hop-Tanz und Electric Boogie, „so show-mäßig“. Als wenn das nicht schon ungewöhnlich genug wäre, präsentiert er sich als Human Beat Box, so überzeugend, dass André verwundert um die Ecke guckt. „Das hab ich mir alles im Fernsehen und von Videos abgeguckt“, erzählt Patrick.

Das mit der elektronischen Musik lässt André aber nicht in Ruhe. LCD Soundsystem sind nur der Aufhänger, um schnell noch !!!, The Faint und Ladytron zu erwähnen. Und Autechre, Funkstörung und Mouse On Mars natürlich. Zoot Woman und Aphex Twin nicht zu vergessen. Irgendwie landet er bei Oomph!: „Ich dachte früher immer, die heißen ‚Zero Zero Miles Per Hour’, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass die sich wirklich Uhmf nennen.“ Aber der Name kommt ja von Comic-Geräuschen, genau wie Wham! und Biff Bang Pow!.

Martin kommt „von der Bauruine gegenüber“ und wartet auf Mike. Bei einer Latte Macchiato erzählt er von seinen Plänen. Er will aus dem alten Gewölbekeller, der schon das „Peetie’s“ beherbergte, eine Schwulen-Disco namens „Poofy“ machen. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. „Einen Termin habe ich noch nicht, ich will mich nicht selbst unter Druck setzen.“ Mit ihm kam Ronny, ein großer, rotbrauner, zotteliger Hund, der auf das Geräusch von geöffneten Kekstüten, die dem Kafka beiliegen, reagiert. „Der liebt diese Kekse. Wenn du den selber essen willst, warte, bis er weg ist“, sagt Martin.

André erzählt, dass er immer noch keinen Telefonanschluss und damit auch kein Internet hat. Von Telefongesellschaften weiß Martin auch Lieder zu singen. „Biste bei der Telecom, rufste an, kommt einer raus. Biste bei 1&1, rufste an, sagen die, rufen Sie die Telecom an, rufste die Telecom an, sagen die, nee, Sie sind bei 1&1.“ Mike ist immer noch nicht da, also geht Martin mit einer Flasche Hermann-Brause in der Hand im Café umher und bestaunt die Wandfarbe: „Das Kawasaki-Grün hat sich überall durchgesetzt.“ Die Frage nach Vinyl oder CD beantwortet er schnell: „mp3!“

„Ich hab schon zwei Hetero-Bedienungen für die Kneipe“, erzählt Martin. „Das zieht die Leute, die wollen alle die Heten sehen, die in ner Schwulen-Kneipe bedienen.“ Mike ist inzwischen aufgetaucht und bestätigt, dass das funktioniert. „In der Uni haben damals ein paar Leute Flyer verteilt, auf denen stand, dass der Chef vom Pano Nazi ist. So viel Publikum wie in den drei Monaten danach hatte der nie wieder: Alle wollten den Nazi sehen.“

Iris hockt sich an den Tresen und bestellt sich irgendwas. André verschwindet in der Küche. Iris hat die Vorhänge genäht und will nur mal gucken, wie es aussieht, wenn die hängen. Das tun sie noch nicht. André kommt aus der Küche zurück. „So weit sind wir noch nicht, das kommt aber als nächstes!“

Vinyl gegen CD: 2 zu 1, plus 1 für mp3.

van Bauseneick
www.krautnick.de

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