#02 In Regenbögen

Abstimmung: Tonträger oder bezahlte Downloads

Der Soundtrack kommt im Café Riptide seit einiger Zeit “random”, nicht mehr als auf- oder eingelegte Scheibe, und ist unfassbar bunt gemischt. Zu „Bang Bang“ wissen André und Chris: Das ist nicht das Original. „Das von Sonny & Cher ist älter“, sagt André. Er steht am Tresen, bedient Gäste, berät Kunden. Chris sitzt im Büro daneben und befasst sich mit der Steuererklärung.

Bretter sollen noch kommen, sagt André, für die Küche und ebenjenes Büro, als Regale. Wer, der ernsthaft Musik hört, könnte sich in einem zwar zu engen, aber dennoch mit Platten vollgestopften Büro wie dem neben dem Tresen nicht wohl fühlen? „Gemütlich ist das Wort“, bestätigt André.
Die Vitrine für die Bagels fehlt noch, die sollte eigentlich schon da sein. Der Vorhang von Iris trennt inzwischen den Verkaufsraum vom Cafébereich, zumindest optisch. Macht ordentlich was her. „Hat was von einem Wohnzimmer“, findet André. Auch die Heizung läuft. „Und wir haben Internetanschluss“, freut sich André. „Oder besser: W-LAN. Endlich sind wir auch telefonisch erreichbar.“

Schnell kommt das Gespräch auf den Coup, der Radiohead mit ihrer „In Rainbows“-Aktion gelungen ist. Das Album gab es zum Download und die Käufer konnten selbst entscheiden, was sie dafür zu zahlen bereit waren, inklusive gar nix als Option. „Die geben ihren Fans was zurück“, meint Chris. Als negatives Gegenbeispiel fällt ihm Neil Young ein. Ein angekündigtes Konzert mit nur ihm an der Gitarre habe Chris interessiert, das könne ja nicht so teuer sein. 110 Euro habe Young haben wollen. „Der hat doch genug Geld“, schimpft Chris. Einer Band wie Radiohead ginge es genauso, nur wisse die das wenigstens.

Tobi fragt nach Minion. Er kauft sich das neue Album „Out Of The Carnage“ als LP. Ist er gezielt hergekommen? „Ich wusste, dass die da ist.“ Stand das im Newsletter oder woher wusste er das? „Ich bin davon ausgegangen.“ Berechtigterweise. Tobi ist Lehrer, Sonderpädagoge, und zwar an der Hans-Würtz-Schule. „Das ist eine Schule für Körperbehinderte“, erklärt er. Eine Förderschule, für Schüler mit Lernschwierigkeiten. Die wenigsten Schüler sind Rollstuhlfahrer. „Man hat da schnell falsche Vorstellungen“, sagt Tobi. „Teilweise ist die Behinderung die Folge eines Hirntumors.“ Minion ist eine Hardcore-Band aus Bremen, „Out Of The Carnage“ deren drittes Album.

Über den Soundtrack von „The Big Lebowski“ landet André beim Thema Film. „Ich dachte erst, es gibt keine guten Komödien in diesem Jahr, bis ich ‚Clerks 2’ gesehen hab.“ Dabei war das von Kevin Smith ja nicht einmal zu erwarten. Nach der guten New-Jersey-Trilogie mit „Clerks“, „Mallrats“ und „Chasing Amy“ kam der ebenfalls gute „Dogma“, aber „Jay & Silent Bob Strike Back“ war scheiße. Von hinten aus dem Büro meldet sich Chris: „Der war gut!“ André ruft grinsend zurück: „Sei ruhig und mach deine Steuererklärung!“

Eine Latte Macchiato für Martin. Was macht die Baustelle gegenüber? „Ach, das Jahrhundert-Projekt!“, grinst Martin. Er hatte eigentlich vor, am 22. Dezember das „Poofy“ zu öffnen. Das wird jetzt aber doch nix. „Wenn auf, dann auf“, winkt er ab.

Chris und André sind begeistert von einer Weihnachts-Postkarte, die eine Bekannte vorbeigebracht hatte: „Grüße aus den Schlossattrappen“ steht da drauf, mit Oberbürgermeister Gert Hoffmann in einer Weihnachtskugel. Die vierte Auflage dieser Karte, die ein „Herr K.“ anfertigte. „Davon müssen wir unbedingt ein paar mehr im Laden haben.“ In diesem Zusammenhang fällt André ein: „Hartmut El Kurdi ist öfter hier, mit der ganzen Familie.“ Chris: „Rocko Schamoni war auch hier.“ Einmal vor und einmal nach seinem Auftritt kürzlich in der Brunsviga. „Er muss sich in jeder Stadt Plattenläden angucken, wenn es überhaupt noch welche gibt, sagt er“, sagt Chris. „Da hat er gleich ein paar Sachen auf Kommission hier gelassen.“ Zum Beispiel die neue DVD von Studio Braun, „20.000 Jahre Studio Braun. Ein Jubiläum feiert Geburtstag“.

Sebastian, Christian und Nils durchsuchen die CDs und LPs. Sie sind zum ersten Mal im Café Riptide, haben im Nexus davon gehört und finden es gut, dass solche alternative Läden in der Stadt existieren. Sie alle kommen nicht aus Braunschweig, studieren aber hier, alle Architektur. Sebastian und Christian kommen aus der Nähe von Osnabrück und Nils aus Heilbronn. Sebastian sucht nach Bloc Party, „aber eigentlich habe ich alles von denen.“ Christian hört in das Solo-Album von Serj Tankian rein. „System Of A Down ist mein Favorit.“ Nils durchstöbert das CD-Fach. “Cool, die haben sogar Kassetten hier: Radiohead, Iron Maiden und Ozzy Osborne.” Etwas weiter links findet er eine CD von Der Raketenhund aus Braunschweig. „In Stuttgart in einer WG haben sie Raketenhund gehört“, erzählt er. Er habe sich gewundert, wie es eine selbst in Braunschweig kaum bekannte Band bis nach Stuttgart geschafft hat.

Die Frage nach bezahlten Downloads stelle sich Sebastian nicht. „Für 10 Euro krieg ich auch eine CD, das seh ich nicht ein.“ Die Aktion von Radiohead habe ihm daher sehr gut gefallen. Wobei er CDs ja gar nicht kauft. „Ich kaufe nur noch Vinyl, das hat einen besseren Klang, mit dem Knistern klingt das wärmer, und ich halte lieber ein großes Cover in den Händen.“

Tonträger gegen bezahlte Downloads: Drei zu null.

van Bauseneick
www.krautnick.de

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