#53 Abschied ist ein schweres Schaf

Samstag, 24. März

Sonne, blauer Himmel, über 20 Grad Celsius – fristgerecht verwöhnt der Frühling an diesem ersten Osterferientag uns Ostfalen, wir holen uns unseren knappen jährlichen Anteil an Sonnentagen ab. Was das bedeutet, vermittelt ein Gang durch Braunschweig: Die Leute sitzen, wo sie nur können, vornehmlich auf dem Kohlmarkt oder in den Parks. Wer noch wie ich aus alter Gewohnheit Winterjacken trägt, macht sich im Geiste einen Vermerk, den Mantel künftig gegen die nächstdünnere Jacke zu tauschen. Kinder quirlen umher, tapsige junge Hunde verlieren zwischen den Beinen die Orientierung, gehende Menschen tragen Einkaufstaschen, sitzende nippen an Getränken. Ein Straßenmusiker spielt auf der akustischen Gitarre stimmungsaufhellende russische Begräbnismusik. Die Marketender auf dem Altstadtmarkt bestätigen, dass die Sonne die Laune aufhellt, sowohl deren eigene als auch die der Gäste. Die Eile wich der Weile. Über dem Wochenmarkt wehen wieder Düfte von Obst, Gemüse und per Heizdraht gereiftem Spargel, gemischt mit dem von Kaffee und Bratwurst. Brötchen und Käse sind heute besonders gut. Aus dem Bierteufel dröhnt der Jubel vom 1:0 der Eintracht gegen Fortuna Düsseldorf, vor Piou lässt Tanja ihren kleinen Dackel am Boden schnuppern, Serge sitzt mit einem Gast vor seinem Laden, die Riptides haben eine Biergarnitur im Achteck aufgestellt. Plätze sind dort rar, also gehen Maren, Arni, Janna und ich eben ins Café.

Zu viert am Dreiertisch, das wird eng, vor allem, weil wir alle Hunger haben. Also schiebe ich einen Stuhl vom Nachbartisch dazu, mit allem Schwung, der mir möglich ist, so entspannt, wie ich bin. Das Kissen folgt gleichzeitig der Zentrifugal- und der Schwerkraft. Ich hebe es auf und lege es zurück auf den Stuhl, den ich zwischen die anderen drei Stühle dränge. Zu eng, wie die finden, die darauf sitzen sollen. Also stelle ich entspannt den Stuhl zwischen unserem und dem Nachbartisch beiseite und übersehe, dass die Wand, an der er steht, auch den Rucksack, der auf ihm liegt, hält. Es knallt einmal kurz, als Arnis Gepäckstück den Boden erreicht. Janna hebt den Rucksack auf, ganz entspannt. Arni und ich schieben den zweiten Tisch an unseren, tatsächlich ohne, dass etwas herunterfällt. Ein weiterer Stuhl vom zweiten Tisch ist jetzt übrig, Arni stellt ihn an den Tisch gegenüber, dorthin, woher ich den anderen Stuhl geholt hatte. Bis wir alle sitzen, ist bestimmt eine Viertelstunde vergangen. Entspannung kann ganz schön stressen.

Nicht Roberto und Gregor, die gleichzeitig aus der Küche um die Ecke strömen und bei uns die Bestellung aufnehmen wollen, ganz plattenladengemäß in Stereo. Gregor bleibt mit gezücktem Block bei Arni und mir stehen. „Dann gehe ich zu den Frauen“, sagt Roberto und umrundet uns. Wir alle wollen Riptide-Burger essen, aber jeder einen anderen und anders konfiguriert, mal vegan, mal mit Käse. Maren bestellt Grünen Tee, Janna Wasser, Arni Fritz-Kola und ich ein alkoholfreies Hefeweizen. Noch während Gregor und Roberto ihre Stifte wieder – niemand weiß, wie das richtige Verb dafür heißt – ausschalten und ihre Blöcke zuklappen, kommt Chris zu uns an den Tisch und begrüßt uns. Er war eine Woche lang im Urlaub, erzählt er, auch ganz entspannt, so wie wir es jetzt sind. Da fällt mir der anstehende Record Store Day ein, da habe ich im Internet gelesen, dass das Riptide zu den teilnehmenden Plattenläden gehört. Chris bestätitgt das und sichert zu, meine Bestellliste zu berücksichtigen. Ziemlich viele Sonderveröffentlichungen gibt es dieses Mal. „Es werden jedes Mal mehr“, bestätigt Chris. An sich finde ich die Einrichtung ja gut, dass Bands und Labels Tonträger veröffentlichen, die es dann nur im Rahmen des Record Store Day in unabhängigen Schallplattenläden gibt. Doch sind da inzwischen häufig nicht mehr die Fans die Käufer, sondern geschäftstüchtige Weiterverläufer, die sich bereichern wollen. Für bestimmte Veröffentlichungen müsste man heute ein Schweinegeld hinlegen, wollte man sie wirklich haben. „Wir versuchen, alles zu kriegen“, beruhigt mich Chris. Dennoch kann er von Ausnahmen berichten: „Es gibt einige Raritäten, die haben wir nie gesehen.“ Darunter eine Smiths-10“-Box oder eine Nirvana-7“. „Wenn ich rechtzeitig feststelle, dass ich eine Platte nicht bekommen kann, sage ich dir bescheid“, beruhigt mich Chris. Das ist nett.

Und entspannt mich wieder. Andere Gäste, die ins Café kommen, strahlen ebenfalls, und keiner ist hektisch. Mir gefällt, dass mal alle Leute gutgelaunt sind. „Lass mich in Ruhe“, bölkt Arni und blättert grinsend in dem Lego-Katalog, den er vorhin aus der Spielwarenabteilung bei Kartstadt mitnahm. Lego-Regale in Spielwarenabteilungen sind regelmäßig unser Ziel, wenn es mal nicht Platten- oder Buchläden sind. Die Dänen haben inzwischen wieder an Spaß und Qualität zugelegt, nach den eher playmobilartigen Zeiten mit unveränderbaren Großbausteinen. Zurzeit haben sie eine Polizei-Serie, bei der fast jedes Modell irgendwo eine Kaffeetasse oder Kaffeemaschine hat. Bei anderen Gelegenheiten bringen sie Fische, Würste oder Hähnchenkeulen unter, selbst bei der an „Jurassic Park“ angelehnten Dino-Reihe. Ganz neu ist „Friends“, eine Reihe, die sich an Mädchen richten soll und ebenfalls den aktuell typischen Humor durchblitzen lässt. Es geht um fünf Mädels, die alle irgendwelche weitgehend mädchentypischen Sachen machen und damit ganz neoökonomisch erfolgreich sind und trotzdem Spaß haben. Die Figuren sind etwas größer als die Lego-Minifigures und heißen Andrea, Emma, Mia, Stephanie und Olivia. Letztere hat ein eigenes „Traumhaus“, und wenn man sich die Packung genau anguckt, sieht man zwei weitere Figuren: Peter und Anna, die aussehen wie Mulder und Scully. Als wär das nicht genug: Mulder grillt und Scully mäht den Rasen. Die Vorbereitungen für „Akte X“, Staffel zehn?

„Das wird der erste Sound-On-Screen-Film, zu dem ich gehe“, sagt Maren und fischt einen Flyer für die nächste Veranstaltung aus dem Ständer mit den Speisekarten neben dem Aufsteller, der für die „crunchig-fruchtige Erdnuss-Curry-Suppe“ wirbt. Das Universum zeigt am 19. April „Sex & Drugs & Rock & Roll“ über Pubrocker Ian Dury mit Gollum-Schatz Andy Serkis in der Hauptrolle und anschließendem Ronny-Mono-Konzert im Riptide. À propos Gollum: Auf Deutsch hat Andreas Fröhlich den gesprochen. Bob Andrews, zuständig für Recherchen und Archiv! Das hat er gut gemacht, schließlich erkennt man ihn nicht. Auf Englisch macht „Herr der Ringe“ aber auch Laune. Kürzlich hatte ich das große Vergnügen, alle drei Extended-Versionen am Stück zu gucken, Original mit englischen Untertiteln. Die Stimmen sind toll, und auch, dass die Figuren unterschiedliche Dialekte haben. Gimli spricht einen walisischen Akzent, klärt denjenigen das Internet auf, der wie ich glaubt, es sei Schottisch, und der passt wunderbar zu dem Zwerg. Dessen Schauspieler John Rhys-Davies spricht im Original übrigens auch den Ent Treebeard. Wenn man die deutsche Fassung gewohnt ist, wundert man sich, wenn man den richtigen Namen für Helms Klamm hört, „Helm’s Deep“; hat doch schon durch die Geschichte der Name „Helms Klamm“ einen bedohlichen, einengenden, ausweglosen Klang. „Klamm“ ist ein schönes Wort für „Deep“, aber wohl weil „klamm“ auch „feucht“ und „verschimmelt“ assoziiert, geht von „Deep“ für mich weniger Bedrohung als vielmehr Schutz aus.

Mit einem vollen Tablett kurvt Gregor um die Ecke. „Sieht aus wie ein Schlumpf“, stellt er mit Blick auf die zur Seite geneigte Blume meines Hefeweizens fest. Das passt, das sieht mir ähnlich. Gregor verteilt die Getränke entsprechend ihren Bestellungen, klappt das Tablett an sich und sagt: „Lasst es euch schmecken.“ Maren setzt ihre Brille ab und nimmt das dazugehörige Etui aus ihrer Tasche. Janna lacht: Das Etui sieht aus wie eine Mini-Handtasche und ist gemustert wie ein Leopard. „Das habe ich geschenkt bekommen“, erzählt Maren stolz. Ein tolles Gescenk sei einmal auch ein Schoko-Badezusatz gewesen. Janna ist skeptisch: „Da möchte ich lieber nicht drin baden, Schoko esse ich lieber.“

Arni und ich streifen ein wenig im Raum umher. In dem Aufsteller, aus dem wir sonst das Intro fischen, liegen Umsonst-Visions. Früher habe ich die auch noch gelesen, aber mir ging deren Haltung irgendwann auf den Keks: „Das ist nicht Visions-kompatibel.“ Abgesehen von so einem beschränkten Horizont war beizeiten auch das Visions-Kompatible nicht mehr mit mir kompatibel und ich bestellte das Abo ab. Aber so mal zum Schmökern nehme ich gerne mal wieder ein Heft mit. Bei den LPs steht auch das neue Album von Oliver Koletzki, der mich bislang musikalisch über den „Drei Tage wach“-Remix von Lützenkirchen hinaus noch gar nicht erreicht hat, aber das Cover von „Großstadtmärchen 2“, dem neuen Album des gebürtigen Braunschweigers, stammt vom weißen Kaninchen aus dem Lützenkirchen-Video: Chrisse Kunst, seinerzeit Ausstellender im Riptide. Was Koletzki abseits der Musik sympathisch macht, ist, dass er sich, wenn er House macht, „Parker Frisby“ nennt, nach einer Figur aus „Die Drei Fragezeichen und die Perlenvögel“. Arni und ich entdecken zudem erfreut, dass die Riptides ein Extra-Fach für Die drei ??? zwischen Dinosaur Jr und anderen D-Musikern eingerichtet haben.

In der Rip-Lounge liegt die noch neueste Ausgabe der alternativen Zeitung „Unser-Braunschweig“ aus, mit der Ankündigung der Lichterkette vor zwei Wochen auf der Titelseite. Wir waren wieder dabei, zwei von 24.000 Teilnehmern auf einer 80-Kilometer-Strecke entlang der schönsten Ausflugsziele Ostfalens: Asse, Schacht Konrad und Eckert & Ziegler. Genau ein Jahr nach der Katastrophe von Fukushima zeigten die Leute Flagge, besser: Fackel. Protest für die ganze Familie, und das im doppelten Sinne: Einmal waren von der Oma bis zum Baby alle dabei, weil vom Steineschmeißen nicht auszugehen war, und dann stellt Oma nun mal Weichen fürs Baby, wenn sie gegen das Verbuddeln oder Aufbereiten todbringenden Mülls in der Gegend protestiert. Als Gesellschaftspessimist freut man sich, dass es überhaupt noch oder wieder Menschen gibt, die für irgendetwas einstehen, andererseits sieht man ja ganz besonders deutlich in Braunschweig, wie weit Bürger- und Politikerwille auseinandergehen können, ohne dass mit demokratischen Mitteln gegen fragwürdige Machthaber vorzugehen wäre. Eine Demonstration macht den Protest zwar wahrnehmbar, wendet den Grund für den Protest aber nicht direkt ab. Immerhin sah es schön aus, wie reihenweise Fackeln die Braunschweiger Innenstadt illuminierten. Überall hatten Institutionen, Parteien, Kirchen, Initiativen ihre Stände aufgebaut, verkauften Fackeln, gaben Infos aus und betreuten Teilnehmer. In feuerfesten Schalen sammelten sie nach dem Abbrennen die verglühten Fackeln. Auf dem Kohlmarkt klang der Protest mit Sambattac-Trommeln aus. Atomkraft ist wenigstens protestierbar, einen Castorbehälter kann man anfassen, eine Bildungsreform beispielsweise nicht. Ein Lokalpolitiker erzählte mir kürzlich, er habe gelesen, dass, wenn alles Geld, das die Regierung in den vergangenen Jahren von den Bürgern für die Bildung abgezwackt hat, auch wirklich in die Bildung geflossen wäre, heute jedes Kind einen eigenen Lehrer hätte. Aber das kann eine Regierung ja nicht wollen, dass die Bürger so gebildet sind, dass sie begreifen, dass eine Regierung, die genau das unterbindet, versagt hat und abgewählt gehört. Die Katze und ihr Schwanz.

„Eins, zwei, drei – Burger!“, schallt es von unserem Tisch. Arni und ich bestaunen LPs von Boris und Neurosis, als Janna und Maren uns dezent darauf aufmerksam machen, dass die erste Hälfte unserer Bestellung bereits auf dem Tisch dampft. Die Nachricht mit der Visions reißt Maren nicht weiter um: „Ich habe hier gestern schon alles in dem Heft gelesen, was mich interessiert – desegen habe ich sie mir auch nicht genommen.“ Wir untersuchen zu viert die beiden gelieferten Burger und können nicht herausfinden, um welche beiden der vier bestellten es sich handelt. Aus einem fließt ganz eindeutig Käse, doch ist der andere auch wirklich vegan? Ich biete mich an, einfach alle zu essen. „Und wir gucken zu?“, empört sich Janna. „Nee!“ Arni rauft sich die Haare: „Du isst alles und wirst nicht sooo dick?“ Mit den Händen holt er weit aus. Viel fehlt dazu ja nun nicht mehr. Janna glaubt: „Das warme Herz verbrennt alles.“ Uff. Gregor hilft uns rätselnden mit dem Zeigefinger: „Das ist vegan, und das ist der Robinson mit Käse.“ Beim ersten greift Maren zu, beim zweiten Arni. Maren bleibt mit Blick auf das Schälchen mit rotem Inhalt bei ihren Nachos jedoch skeptisch: „Und die Soße?“ Gregor beruhigt sie: „Das ist neu, die gibt es jetzt immer zu den Chips dazu.“ Das aanzichste, stelle ich leise an Gregor gewandt fest, was noch fehlt, ist Besteck. „Das aanzichste?“, wiederholt Gregor. „Kommt sofocht.“ Und die beiden offenen Burger gleich mit. Das ist ein Fest! Die Burger im Riptide sind großartig, da vermisse ich als Karnovore das Fleisch kein bisschen.

Während wir die Burger wahlweise von vorne nach hinten oder von oben nach unten dezimieren, dringt von außen Torjubel ins Café. Maren stellt zwischen zwei Bissen den Unterschied zwischen „Hochbezahlt“ und „Gut“ in Kunst und Design fest. Zu „Gut“ fällt mir ein, dass sie in der Braunschweiger Zeitung heute eine Doppelseite über die neue Ausstellung von Gerhard Richter in Berlin haben. Da ist an prominenter erster Stelle die Kerze zu sehen, die Sonic Youth für ihr Album „Daydream Nation“ als Cover genommen haben, was die BZ allerdings nicht erwähnt. Jedoch sieht Maren auch zwischen Richter und Gut nicht unbedingt den Zusammenhang, dafür aber am Kopf eines eintretenden Gastes ein Stirnband. „Ich habe mein Nena-Schweißband wiedergefunden“, erzählt sie. In Rosa-Weiß-Rosa gestreift mit der Aufschrift „Nena“. Es gehörte einst zu einem Set mit Stirnband. Ich hatte als Kind ein Schweißband vom HSV, etwa 1984, also kurz nach den beiden Meisterschaften. Maren erzählt, wie sie in den 80ern mit einem Mitschüler ein Nena-Magazin erstellte, mit aus der Bravo abgeänderten Texten in krakeliger Schreibschrift und selbstgemaltem Starschnitt. „Mein kleiner Bruder hat immer Hörspiele selbst gemacht“, erzählt Janna. „Mit klapprigem Kassettenrekorder und Mikrofon.“ Maren auch, bei einem Freund, der eine He-Man-Burg hatte und der He-Man-Geschichten vertonte. Maren machte dann die Geräusche, mit Plastiktüten über den Füßen Schritte auf fremden Planeten oder mit einer Tupperschüssel vorm Gesicht eine Stimme wie im Helm. „Das müssten wir auch mal machen“, schlägt Arni angesteckt vor. Gute Idee, wir könnten dann die Geschichte vertonen, die Janna und ich kürzlich für die Hochzeit eines befreundeten Paares schrieben: „Die Drei Fragezeichen fahren nach Kopenhagen.“ Jeder Gast hatte im Vorfeld eine Seite für die Hochzeitszeitung gestalten sollen. Da ich die Braut seinerzeit über die drei Detektive kennen gelernt hatte, war beim ersten Herumbasteln schon die Idee da: Ich fügte die Olsenbanden-Silhouette in ein Drei-Fragezeichen-Cover ein und schrieb den Titel dazu. Janna meinte, wir müssten ihnen eine Würfel-Geschichte anbieten mit sechs Auswahlmöglichkeiten zu verschiedenen Parametern, wie Auftraggeber, Bösewicht, Gegenstand, Ort und so weiter. Das Paar hatte dann zu würfeln und uns die Ergebnisse mitzuteilen, aus denen wir eine Geschichten schreiben und sie ihnen bei einem Essen vorlesen wollten. Das war gar nicht so einfach, weil wir die erwürfelten Parameter sinnvoll kombinieren mussten. Am Ende reisten Justus, Bob und Peter als Austauschschüler nach Kopenhagen, wo sie auf die Olsenbande trafen und in einen internationalen Waffenschieberfall verwickelt wurden, der bis nach Schweden reichte und in dem Egon, Benny und Kjeld als Kleinganoven doch eher auf der Seite der Guten standen. Aber eigentlich müsste die Geschichte mit den Original-(DEFA-)Sprechern vertont werden, nicht mit uns.

Die Burger haben einige von uns gesättigt. Maren blättert in der Speisekarte und macht erfreut Entdeckungen: „Es gibt jetzt ein veganes Frühstück.“ Damit nicht genug: „Es gibt jetzt vegane Muffins? Gleich mal fragen, vegane Süßigkeiten hatten sie bislang nicht, das wäre fein.“ Arni und ich krümeln die letzten Nachos von den Tellern in uns hinein. „Im Bioladen habe ich letztens gesalzene gefunden“, berichtet Arni. „Die waren superlecker.“ Roberto räumt ab und wir schwärmen alle von den Burgern. „Habt ihr die Rezeptur geändert?“, fragt Arni. „Nee“, sagt Roberto grinsend, „aber ich habe die gebraten.“ Dann ist er ja der Bratling. „Genau, ich bin der vegane Bratling.“ Arni fragt: „Wo habt ihr die eigentlich her?“ Roberto bleibt ernst: „Wir haben da in Braunschweig einen schönen speziellen Schlachter.“

Nachdem wir alle in der Karte geblättert haben, nimmt Gregor die neue Bestellung auf. Arni wünscht sich einen Milchkaffee, ich eine Fritz-Kola ohne Zucker, Maren einen weiteren grünen Tee und Janna ein weiteres Wasser. Dabei fällt mir Gregors Kettenanhänger auf. „Das ist ein Plektrum, ich spiele Bluesgitarre, das hat mir ein Freund zum Abschied geschenkt, weil ich am Samstag wegziehe“, erklärt er. Aus heiterem Himmel. „Das ist meine letzte Schicht, ich ziehe nach Hamburg.“ Immerhin verschlechtert er sich damit nicht, stellt Arni fest. Auf Läden wie das Riptide oder den Kingking Shop muss er dort aber verzichten. Abschied, um es mit dem britischen Schlagersänger aus Kenia zu sagen, ist ein scharfes Schwert. Aber wenn er mal wieder nach Braunschweig kommt, weiß er ja, wo er hinkann.

Maren hat ihren veganen Muffin bekommen und probiert. „Der ist der Oberknaller“, stellt sie fest. Wir anderen sind von unseren Burgern noch satt und stillen lediglich unseren Durst. Kunden kommen und gehen, ein kleiner weißer Hund beißt die Hand nicht, die ihn tränkt, und ein zweijähriges Mädchen schüttelt, die, die ich ihm hinhalte. Alles ganz entspannt. So wie wir. Die Sonne lockt. Draußen sind alle Plätze belegt, schon seit Stunden. Kein Wunder. Wir wollen auch nach draußen. Tschüß Gregor, lass es dir gutgehen in Hamburg!

Den kleinen Dackel hat Tanja jetzt auf dem Schoß. Serge ist in seinem Laden verschwunden. Im Bierteufel erfahren wir, dass der Torjubel wohl doch keiner war: Düsseldorf hat ein Ausgleichstor geschossen. Was soll’s, ein Punkt gegen einen Aufstiegskandidaten ist auch eine Leistung für einen Liganeuling. Am Wild Geese hängt ein Transparent, dass nächste Woche der 15. Geburtstag des Pubs ansteht. Letzten Samstag feierten wir dort noch wild St. Patrick’s Day, wie jedes Jahr, seit es das Wild Geese gibt, außer einmal, als ich krank war. Macht nicht auch bald die Okercabana wieder auf? Winter, wo ist dein Stachel?

Matze Bosenick
www.krautnick.de

1 Kommentare

  1. Das ist mal wieder eine schöne und anspruchsvolle Geschichte, oder ist es eine Erzählung? So ganz lässt sich das nicht herausfinden. Auf jeden Fall steht das Kulturcafé Riptide nicht nur für erstklassigen Kontent auf der Homepage, sondern auch für leckere Mahlzeiten und Getränke im Café selbst. Im Laufe der Jahre hat sich das Riptide zu einer echten Institution in Braunschweig entwickelt, die weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist. Schon die Stories auf der Homepage lassen Lust auf einen Besuch aufkommen. Allerdings sollten sich die Betreiber der Seite einmal ihre Gedanken über die Leserlichkeit der Artikel machen. Diese dichte Aneinanderreihung von Wörtern ohne Zwischenüberschriften ist eine Zumutung, die auch jede noch so tolle Story langweilig werden lässt. Mit nur etwas Mühe kann aus den an sich netten Geschichten lesbare und spannende literarische Kunst gemacht werden.

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