#08 Eis-Kaffee Riptide

Schon zur Mittagszeit wärmt die Sonne nach einigen eher kühlen Tagen den achteckigen Innenhof im Handelsweg. Chris kümmert sich um Buchhaltung, Papierkram und Formulare, André ist noch auf Shopping-Tour fürs Café. Einen Burger und ein Fladenbrot liefert Chris nach draußen, wo sich die Gäste entspannt unterhalten. Ein paar Poster zu neuen Alben hängen an der Außenwand, von Mudhoney und Gustav. Die Musik dringt leise und dezent aus dem Café nach draußen. So kann der Sommer bleiben.

Auf der Karte stehen seit Anfang Juni auch alkoholische Getränke, außerdem hat das Café donnerstags bis samstags bis 23 Uhr geöffnet. „Das wird trotz der Fußball-EM gut genutzt“, freut sich Chris. „Rotwein und Bier wird getrunken, hier herrscht am Abend auch eine andere Gemütlichkeit als tagsüber.“ In der Passage staut sich dann die Wärme lang genug, dass niemand frieren muss. „Die Leute nutzen das als Starter ins Wochenende.“

Und gucken sogar Fußball. „Tante Puttchen und der Bierteufel haben gemeinsam eine Leinwand aufgespannt“, erzählt Chris. „Unsere Gäste rücken mit ihren Stühlen ein Stück in den Weg und können von hier aus gut gucken.“ Das Spiel der Deutschen gegen Österreich fanden aber alle langweilig. Und à propos Kneipen: Die Lokale im Handelsweg haben jetzt einen gemeinsamen Flyer. „Das haben wir ein bisschen angeschoben“, sagt Chris.

André kommt mit einem Arm voll Speiseeis vom Einkaufen zurück. Seit neuestem haben die beiden auch Eiskaffee im Programm. Die Idee hatte Arni einige Tage zuvor. Er war zum Kniffeln gekommen, ganz abgesehen vom Schallplattenkauf. Praktikantin Lara, die an dem Tag bediente, bekam mit, dass Arni von Eiskaffee sprach, und gab die Idee an André weiter. Kurze Zeit später hatte Arni nicht nur seinen zweiten Kniffel, sondern auch den Prototypen für den Riptide-Eiskaffee vor sich stehen. Einen glücklicheren Menschen konnte man sich kaum vorstellen. Seine einzige Kritik: „Der Eiskaffee ist ein bisschen zu süß.“ André beherzigte den Einwand, wie er sagt. „Wir haben den Eiskaffee ohne Zucker im Programm, und auch in der Veganer-Variante.“

Währenddessen baut Chris die Myspace-Seite des Café Riptide in die Homepage ein. „Ein Fan hat die gestaltet“, sagt Chris. „Deswegen ist es auch okay, dass die Seite ‚Riptide Rules’ heißt – ich selbst hätte es nicht so genannt.“ Jetzt sucht das Riptide auf Myspace ganz viele neue Freunde.

Von der neuen Sigur-Rós-CD erzählt Chris auch. „Die heißt ‚Með suð í eyrum við spilum endalaust’ und soll musikalisch gut sein.“ Übersetzt heißt das ungefähr ‚Mit eurer Begeisterung in unseren Ohren spielen wir endlos’. Am Freitag kommt das Album heraus, die angekündigte Deluxe-Version mit Bonus-DVD und Buch soll im September folgen. „Die hat ein außergewöhnliches Cover, mit vier Jungs, die nackt über die Autobahn springen.“

In der Sonne sitzt Sven, barfuß, Selbstgedrehte rauchend, mit allerlei Papierkram und auf einem Block mit schwarzem Stift geometrische Formen und Figuren zeichnend. „Das mache ich zum Abschalten“, sagt er. Eigentlich sei er Sozialpädagoge und betreue Wohngruppen mit Jugendlichen. „Heute hatte ich eine Sitzung, die war früher fertig, da kann ich ein bisschen in der Sonne sitzen.“ Und entspannen. „Das hat ja auch was Spanisches hier, das erinnert an Urlaub“, findet er. Das mit dem Zeichnen habe er von seinem Großvater. „Der war Kunstmaler, hat aber nie ausgestellt.“ Er selbst sei durch einen Zufall von seinem Chef aufgefordert worden, Berichte über das Leben in Wohngruppen zu verfassen und zu sammeln. „Sonst habe ich meine Texte auch immer in der Schublade verschwinden lassen“, wie sein Großvater es übertragen mit den Gemälden tat. Schreiben und Zeichnen entspannten ihn immer, sagt er. Seine Arbeit mache ihm Spaß. „Ich helfe, Jugendlichen eine Normalität zu geben.“ Jedoch nicht aus einer Chefposition heraus: „Es ist mehr ein Begleiten als ein Führen.“ Für manche sei ihr Problem, das sie haben, ein so großer Lebensinhalt geworden, dass sie es nur unter großer Kraftanstrengung beheben können. „Man kann ihnen das Problem auch nicht einfach wegnehmen, man muss ihnen etwas anderes dafür anbieten, das sie statt dessen ausfüllt.“ Ein guter Tipp, den man auch auf sich selbst übertragen kann. In naher Zukunft steht eine für ihn wichtige Entscheidung an: „Vielleicht bekomme ich einen Festvertrag.“ Das steht zu hoffen.

van Bauseneick
www.krautnick.de

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