Donnerstag, 28. Juli 2022
Mit meinen Arbeitszeiten ist es nahezu unmöglich, Chris während seiner Arbeitszeiten im Riptide zu treffen. Für heute sind wir daher verabredet: Chris wird außer der Reihe bis 18 Uhr im Café sein, und bis dahin schaffe sogar ich das. In der zögerlich zurückkehrenden Sommerhitze atze ich daher durchs Magniviertel und kündige mich im Riptide an der Theke bei Melissa an, die mir erzählt, dass Chris gleich für Post- und Bank-Gänge aus dem Büro kommen wird. Zur Überbrückung drückt die mir eine Karamell-Fritz-Kola in die Hand, die fünftletzte im Bestand, wie sie sagt. Derweil stöbere ich in den Vinyl-Neuerscheinungen herum. Chris schlendert die Treppe mit einem ungefähr schallplattengroßen Paket unterm Arm herab und richtet ein eher ungewöhnliches Anliegen an mich: Wir könnten ja die verabredete gemeinsame Zeit mit seinen überfälligen Pflichten kombinieren. Denn seit Ewigkeiten ist dies der erste Tag, an dem ausreichend Personal zugegen ist, dass Chris für solche Aktivitäten überhaupt Kapazitäten findet. Also flugs die Fritz geext, Melissa die im Neuheitenfach gefundene 10“ „Seven Psalms“ von Nick Cave zur späteren Bezahlung in die Hand gedrückt und mit Chris losgestratzt. Erster vorgesehener Halt: Oberpostdirektion, gegenüber meiner früheren Hood.
„Die Kaffee-Kola geht aus dem Programm“, verkündet Chris zum Auftakt eine für mich schmerzliche Information. Also sind das nun nicht einfach nur die letzten verbliebenen vier Flaschen bis zur nächsten Bestellung, sondern überhaupt. Chris und das Team müssen reagieren, erklärt er, auf Preiserhöhungen, Lieferengpässe und Personalnotstand, den es überdies in allen Branchen gibt, bei mir in der Pflege, in Bäckereien („Die frisch gebackenen Waffeln gibt es zurzeit nicht, ich bin allein hier“), in Einrichtungshäusern („Kundenberatung können wir zurzeit nicht machen, wir sind nur zu zweit“) und eben auch in der Gastronomie („samstags schließen wir schon nachmittags und sonntags haben wir gar nicht mehr geöffnet“). Nicht nur die Pandemie mit all ihren auch gesellschaftlichen Auswirkungen schleift die Menschen, auch die Ukraine-Situation mit Preissteigerungen und Verknappungen belastet sie. Dabei haben die Krankheitsfälle dieser Zeit nicht einmal direkt eine Coronainfektion als Auslöser – die Menschen sind fertig.
Preiserhöhungen und Rohstoffknappheiten nimmt man auch als Verbraucher wahr, dazu kommen noch Hintergrundwirksamkeiten wie Sonderpauschalen, die sich die Lieferanten ausdenken, um von der Krise zu profitieren – und die sich auch auf Chris als Einkäufer auswirken, weshalb er eben umdenken muss. Auch wegen der Personalknappheit, die ihn unter anderem dazu zwingt, seine administrativen Aufgaben zugunsten des Cafébetriebs ruhen zu lassen. „Heute war es das erste Mal okay“, sagt er, während wir den Waisenhausdamm entlangeilen. Aber es müssen Maßnahmen her, sagt Chris, und berichtet, dass er sich jüngst mit dem Team zusammensetzte, mit der Fragestellung: „Wir haben ein breites Programm, wie können wir das sinnvoll runterkürzen?“ Daher wälzten sie Überlegungen wie: Auch wenn das Riptide die Kaffee-Kola von Fritz „seit 14, 15 Jahren“ im Programm hat und sie irgendwie zum Café gehört – nur alle drei Wochen wird mal eine Kiste leer, die bis dahin einen sperrigen Stellplatz im Lager verbraucht. „Die geht wenig“, bedauert Chris. Und ich mit ihm. Er beteuert: „Da tu ich mich selbst schwer mit.“
Bagels streicht Chris fortan aus dem Programm, und: „Astra geht raus – dabei hat das eine Bedeutung fürs Riptide“. So verdankt es etwa im Handelsweg das Sonnensegel der Hamburger Kultmarke, aber getrunken wird Astra leider kaum. Chris müsse das selbst im Kopf klarbekommen: „Sagen die Leute: Wir gehen deswegen nicht mehr ins Riptide?“, fragt er sich. Und antwortet: „Natürlich kommen sie trotzdem, das muss ich lernen.“ Denn: „Es gibt zehn andere gute Sachen, da kann ich auf die elfte verzichten – das ist für mich im Kopf schwierig.“ Auch Vitamalz fällt solchen Überlegungen zum Opfer. „Wir haben acht, neun verschiedene Biere, warum an Astra festhalten?“, überlegt Chris. „Die Rakete ist kultig, aber wird so selten genommen.“ Unterm Strich heißt das: „Sieben, acht, neun Getränke fliegen raus, acht, neun Speisen fliegen raus.“ Besonders solche eben, deren Zubereitung oder Ausschank dem Team Zeit kosten. Was auch bedeutet, dass eine neue Karte fällig wird: „Preise überarbeiten, mehr Platz, schlankere Karte, schnellere Getränke.“
Die Preiserhöhungen bereiten Chris ebenfalls Kopfzerbrechen: „Ich tu mich schwer mit Preiserhöhungen, aber es ist bei uns immer noch günstiger als woanders.“ Im Urlaub genoss er etwa eine Fritz-Kola für vier Euro, davon ist das Riptide weit entfernt. „Ich will auch günstig bleiben, aber die Einkaufspreise steigen massiv“, sagt er. Ihm ist klar: „Die Gäste wissen, was los ist, im Supermarkt, aus der Tagesschau, an der Tankstelle – als Gastronom muss ich das weitergeben.“ Sein Beispiel für die Auswirkungen gestiegener Rohstoffpreise: „Den Bagel müsste ich für fünf Euro verkaufen – das mache ich nicht, der muss rausfliegen.“
Für den August beschloss das Team eine weitere Vereinfachung: „Chefkoch Addi hat Urlaub, er hat heute seinen letzten Tag“, so Chris. Jetzt erwische ich den also schon wieder nicht. Nach dessen Urlaub wollen die beiden „neue Ideen“ erarbeiten, und schon jetzt reagiert Chris auf die Personalknappheit im Juli, die ihn zu untragbaren Öffnungszeitkürzungen zwang: „Wir haben präventiv überlegt: kein Mittagstisch, Stunden sparen.“ Angesichts der nicht abebbenden Coronawelle öffnet das Riptide im August also erst um 14 Uhr: „Wir schieben die Stunden zusammen, damit es nicht wieder zu so einer Katastrophe kommt wie im Juli.“ Zwei, drei neue Mitarbeiter stellte Chris außerdem ein.
„Vorsicht, Pfahl“, sagt Chris, während ich mir im Gehen Notizen mache. Danke, doch dafür renne ich prompt ihn um, als er von mir unbemerkt in die Post einbiegt und meinen Weg kreuzt. „Hier ist es kühl“, stellt er fest, was der Mann am Schalter nur mit schiefem Mund bestätigen mag. Das Paket geht auf die Reise und wir auch, zur Bank in der Nähe des Burgplatzes nämlich. „Post- und Bank-Gänge mache ich normalerweise einmal wöchentlich“, erläutert Chris. Nur war er in den zurückliegenden Wochen so im Café eingespannt, dass er dazu nicht mehr kam: „Heute geht’s!“ Selbst seinen für dienstags festgelegten Bürotag konnte Chris nicht wahrnehmen, vor der Theke stapeln sich die unausgepackten Neuheiten, doch er sieht mit der Maßnahme, im August erst um 14 Uhr zu öffnen, einen Silberstreif am Horizont: „Ich bin vormittags da, für Warenannahme und Bestellungen, und ich muss die Finanzbuchhaltung nachholen.“ Er seufzt: „Ich hoffe, ich habe für August die richtigen Methoden angesetzt.“
Die Bank ist in Sichtweite, da erinnert sich Chris an die 10“ von Nick Cave, die ich vorhin zurücklegen ließ: „Ich war gerade auf einem Konzert, in Berlin, Waldbühne.“ Die Karte hatte er sich schon vor der Pandemie gekauft, endlich fand nun der verschobene Auftritt statt. Und Chris fragte sich, ob Nick Cave seine mystische Atmosphäre auch Open Air erzeugen könne, doch nachdem der sich einmal von der Bühne beugte und das Publikum darauf reagierte, war Chris klar: „Es war wunderschön, auch wenn‘s taghell war.“ Mein einziges Nick-Cave-Konzert war ebenfalls Open Air, mehr oder weniger, nämlich auf der Grünen Bühne beim Roskilde Festival 1997, als sich alle dorthin unter das Zelt flüchteten, weil es zu regnen begann, und ich von Caves Aura so gar nichts zu sehen bekam. Aber die Musik war gut.
Auch in der Bank ist es kühler als draußen, und Chris kommt auf Lieferengpässe zu sprechen, die selbst vermeintliche Kleinigkeiten wie Eiswürfel betreffen: „Festivals werden primär beliefert“, die nehmen Tonnen ab, da seien so ein paar wenige Kilo fürs Riptide Kleinkram. Zudem habe Chris erfahren, dass seine Lieferanten ihrerseits mit ihren Lieferanten in Preisverhandlungen getreten seien, wegen gestiegener Energiepreise unter anderem, weshalb es zurzeit einiges einfach gar nicht zu kaufen gebe, etwa Bonpapier und Büroklammern, was er auch bei Staples nicht bekommt, weil Staples insolvent ist und überall Filialen schließt, was Chris gar nicht mitbekommen hatte. Jetzt aber ist Chris an der Reihe, hinter ihm schließen sich die automatischen Türen an der Bankkasse.
Den nächsten Engpass registriert Chris bei Strohhalmen, erzählt er, während wir die Bank in Richtung Schlossattrappen verlassen. Zwar habe er Trinkhalme bei seinem Lieferanten bestellt, doch sei ungewiss, ob die bei der nächsten Lieferung auch wirklich mitkämen, daher hofft er, sie bei Rewe zu finden. „Ich bin Perfektionist“, sagt Chris, „ich will, dass alles perfekt ist, aber wenn’s bei Rewe keine gibt und morgen keine geliefert werden, dann gibt‘s halt keine.“ Gottlob werden wir fündig, Chris nimmt zwei Vierziger-Packungen mit und greift kurz vor der Kasse noch ins Regal mit den Getränkesirups, weil sein Lieferant Göbber als Folge der Krise komplett auf Marmelade umstellte und die Getränkezusätze aus dem programm nahm. Auch für die aufgrund einer Flaschenknappheit nicht lieferbare Spezi fand Chris woanders eine Alternative, immerhin. Ebenfalls der Rohstoffknappheit zum Opfer fielen zwischenzeitlich die Bambusstäbe für die Burger, da behalf sich das Team mit Zahnstochern.
In der Kassenschlange berichtet Chris vom Auftritt von Boy Omega: „Das war das einzige Konzert im neuen Riptide bisher.“ Das sollte auch schon vor Corona stattfinden, stattdessen brachte Boy Omega auf Riptide Recordings sein neues Album mit dem ungewöhnlichen Titel „It’s Dangerous To Go Alone! Take This.“ Heraus. Die Bühne errichtete Chris direkt vom Eingang kommend gerade zu, räumte dort Tische und Stühle weg und sorgte sich um die noch nicht erprobte Akustik: „Die hat sich als gut erwiesen“, sagt er erleichtert. Er zuckt mit den Schultern: „Theoretisch sollte es monatlich Konzerte und Lesungen geben, aber durch die Pandemie wurden die Würfel neu gemischt.“ Er stutzt und bemerkt: „Die Karten sind gefallen.“
Karten hat Chris auch für Die Ärzte, die er als nächstes live sehen will, „auf dem Tempelhofer Feld“. Auch diese Tickets erwarb er bereits weit vor der Pandemie, genau wie die zu den Auftritten von Iron Maiden und Guns ‘n Roses, die er beide jüngst sah. Bei letzteren hatte er eine Band von Millionären befürchtet, die ihren Auftritt gelangweilt herunterspielen, doch er war überrascht, mit welchem grandiosen Spielspaß besonders Slash zu Werke ging: „Sie haben drei Stunden gespielt“, sagt Chris, und er hatte „Gänsehaut“.
Chris bezahlt seine Waren und wir treten gegenüber vom Magniviertel zurück in die Sonne. Endlich sei auch die neue 12“ von Killing Joke vorbestellbar gewesen, erzählt Chris, der mir die „Lord Of Chaos“ sicherte. Ebenfalls die „II“ von Dead Cross auf goldenem Vinyl, darauf freuen wir zwei Mike-Patton-Fans uns. Nicht zu finden war indes die limitierte 12“ von Zulu, einem Hardcore-Projekt, das Andrea kürzlich auf dem T-Shirt eines Musikers einer anderen Band im Fernsehen sah und daraufhin für sich entdeckte. Dafür entdeckte ich vorhin im Punk-Fach im Riptide unter den Neuheiten das Album „Against All Odds“ von Dare, deren Nebenprojekt Zulu sind. „Die sind auf Revelation erschienen, dem Hardcore-Label schlechthin“, staunt Chris, und wundert sich, dass Zulu dagegen nicht zu haben ist; bei Discogs wird die 12“ derweil für über 100 Euro angeboten. Und er findet das Cover von Dare eher nicht so gelungen, aber andererseits erzeugt es ja gerade damit Aufmerksamkeit, dass es so amateurhaft aussieht. Ebenfalls bestellt hat Chris für mich „Eine schreckliche Bescherung“, das nächste Weihnachtshörspiel der Drei Fragezeichen.
Wir sind angekommen. Robert probt in der Magnikirche Dudelsack, das ist auch über den Wochenmarkt hinweg zu hören, voll gut. Ich finde einen Sitzplatz unter einem der Schirme. Nebenan bei Barnaby’s Blues Bar tummeln sich wie hier vor dem Riptide die Gäste, um mich herum höre ich sie hauptsächlich Spanisch sprechen. Noch mehr Urlaubsgefühl, obwohl ich noch nie in Spanien war. Chris setzt sich nach verrichteter Arbeit und vor seinem Feierabend noch kurz zu mir, da schlendert Arni zwischen den Tischen auf uns zu. „Darf ich dich noch etwas zu einer Plattenbestellung fragen?“, fragt er Chris, und der verweist auf das Plattenbestellformular, das an der Theke ausliegt. „Es gibt ein Plattenbestellformular?“, wundert sich Arni. „Schon immer“, erwidert Chris grinsend, und Arni bemerkt, dass er seine Platten ansonsten auch immer per Email bestellte. „Das schaffe ich nicht immer“, bedauert Chris und verweist auf meine Erfahrungen der jüngsten Zeit. Für Chris ist es nun Zeit für den Heimweg, Arni holt sich das Formular aus dem Café und Maren setzt sich zu uns. Beide kommen gerade vom Zahnarzt, wo sie einer Professionellen Zahnreinigung unterworfen waren, oder, wie es mein Zahnarzt über seine komplementäre Kollegin einst sagte: „Die poliert Ihnen die Fresse.“
Blinky Blinky Computerband ist nun Thema für uns, denn Arni und ich standen jüngst als Teil von Olafs Projekt im Kufa-Haus auf der Bühne, im Rahmen einer Aktion des Vereins BS Oldschool. Olaf arbeitet zudem an neuer Musik und organisiert weitere Konzerte, unter anderem regte er vor wenigen Momenten bei mir an, dass wir doch am 20. August im Vorprogramm der vierten Burning-Beats-Party von Rille Elf im Kufa-Haus auftreten könnten. Für mich wäre das zwar eine Doppelbelastung, aber sicherlich auch ein doppelter Spaß, und da Olli, Uwe und Günther als meine Rille-Elf-Freunde damit einverstanden sind, geht Olaf nun in die Planungen dafür.
Wir bekommen Getränke – Arni ein alkoholfreies Wolters, Maren ein Wasser und ich ein alkoholhaltiges Wolters Premium, bereits mit dem neuen Etikett, das ich nicht so gelungen finde. Außerdem stellt mir Melissa dankenswerterweise meinen Burger vor die Nase. Arni studiert das Plattenbestellformular nach erforderlichen Kategorien und recherchiert in seinem Smartphone abgefragte Details: „Chris hat gesagt, ordentlich ausfüllen!“ Ich rege an, am besten gleich noch einen selbstgewählten Preis dazuzuschreiben, und Maren und Arni sagen gleichzeitig „Fünf Euro!“ und brechen in Gelächter aus. Auch die Kategorie mit der veralteten Bezeichnung „Interpret“ erheitert uns, mich erinnert das an Dieter „Thomas“ Heck und die ZDF-Hitparade. Dabei fällt mir ein, dass Dieter Heck den Namen Thomas seinerzeit immer in Anführungszeichen stehen hatte, weil Bravo-Leser sich auf jenen Namen als Alternative zum Dieter geeinigt hatten. Der Dieter, der Thomas, der Heck. Und im Mad-Heft gab es ein Bilderrätsel, auf dem ein roter Pfeil zu sehen war, der auf das Gesäß eines Skispringers zeigte, und gesucht war natürlich der Begriff Dieter Thomas Heck.
Wir haben alle aufzubrechen und ich noch einen neuen Nachbarn kennenzulernen. An einem Donnerstagabend bei einbrechender Dämmerung und im Sommer ist das Magniviertel mit Leuten in Draußengastronomien bestens gefüllt. Spontan biege ich an der Adresse Am Magnitor 7 ins Anders ein. Dort zapft Salvatice wie eine Weltmeisterin Biergläser voll, während ich mich in dem Restaurant umsehe. Viel Holz, viele Einrichtungsgegenstände mit historischer Anmutung, Deckenventilator, Schilder, Bilder, Art-Deco-Lampen, Pendeluhr, gemütlich alles. Salvatice schwärmt vom Magniviertel: „Das ist die Altstadt von Braunschweig“, sagt sie zapfend. „Ich komme aus Goslar, das erinnert mich daran.“ Bevor sie das Gespräch fortsetzen kann, kurvt sie mit dem vollen Tablett um mich herum nach draußen, und sobald sie wieder bei mir ist, entschuldigt sie sich für die fortgesetzte Unterbrechung: „Die Küche hat geklingelt.“
Seit über 30 Jahren führt die jetzige Inhaberin hier das Lokal, das heute den Namen Anders trägt. „Vorher war hier eine Eisdiele, da hieß es ganz anders“, sagt Salvatice, stutzt und lacht. Während sie schon wieder die nächsten Gläser befüllt, erzählt sie vom ausgefallenen Magnifest und von den Alternativveranstaltungen, „punktuelle Feiern im Magniviertel, Sommerfest, Weinfest“. Überdies sei ihre Kollegin schon viel länger hier beschäftigt und besser dazu geeignet, vom Anders zu berichten, empfiehlt mir Salvatice und bringt schon das nächste volle Tablett nach draußen.
Diese Kollegin gesellt sich wie aufs Wort zu mir. Selbst im Riptide war Christina zwar noch nicht, erzählt sie, aber „ich höre nur Gutes“, und: „Ich hab schon sehr viele runtergeschickt, weil sehr viele Leute nach vegan-vegetarisch fragen.“ Salvatice kehrt zum Weiterzapfen zurück. „Wir haben auch fleischlose Gerichte“, fährt Christina fort, „aber das Riptide ist spezialisierter.“ Viele Anders-Stammgäste berichteten, dass sie im Riptide essen waren: „Und sie waren nicht enttäuscht.“
Im August arbeitet Christina seit zehn Jahren im Anders. Die von Salvatice angesprochene Eisdiele habe sich im benachbarten Hof befunden, erinnert sich Christina, und in den Anders-Räumen habe vorher „ein Jugoslawe, ein Kroate“ residiert, überlegt sie, „ich bin mir nicht sicher“, und Salvatice bestätigt: „Davon habe ich auch gehört.“ Das ursprüngliche Konzept des Anders hörte noch auf den Namen Mozarts, berichtet Christina: „Essen und Antiquitäten erwerben, eine Mischung wie im Riptide mit den Platten, aber das hat nicht geklappt, da wurde das Konzept umgestellt.“ Das erklärt also die Dekostücke! Laut Christina habe ihr der Chef erzählt, dass er damals mit Freunden beim Bier zusammengesessen und gesagt habe, er wolle etwas anders machen, „und immer das Wort: Anders“, und die Freunde hätten dann gesagt: „Kannst das Wort ja gleich für den Laden übernehmen.“
Das Restaurant konzentriere sich nun auf „gutbürgerliche deutsche Küche“, sagt Christina, „mit einem Schlenker in Richtung Italienisch und“, sie überlegt kurz, „Orientalisch kann man es nicht nennen, aber – um für alle etwas dabei zu haben.“ Als Vorstand der Werbegemeinschaft Magniviertel war ihr Chef auch an der Organisation der Nacht der Museen beteiligt und habe schon frühzeitig dafür geworben, in das Viertel mehr Leben hineinzubringen. „Er freut sich über Mitbewerber, das bringt mehr Publikum, gerade, wenn es etwas ist, was wir nicht machen, dann ist es eine Unterstützung“, weiß Christina. Die Kundschaft ruft, Salvatice schleppt Tabletts, die Küche klingelt, Christina ist wieder eingespannt – und ich mache mich auf den Heimweg. In der Dämmerung durchs beleuchtete Magniviertel, und mal gucken, ob um die Uhrzeit noch jemand im MokkaBär sitzt.
Matthias Bosenick