#182 Händeschütteln mit Banksy

Donnerstag, 17. November 2022

Nun schickt sich der Herbst doch noch an, den Gasverbrauch zu steigern: Noch am Dienstag saßen wir draußen vor dem Hermans, bis es zu tröpfeln begann, und heute scheint es den ganzen kurzen Tag lag nur zu dämmern, weil der Himmel voller kalter Regenwolken hängt. Das sieht man auch dem Magnikirchplatz an, der laubverweht lediglich drei Marktstände zu bieten hat, die mit ihrem Kunstlicht das trübe Grauen durchdringen. Keine Spur von Tischen und Stühlen, aber immerhin die bunte Lichterkette vom Café Riptide hängt noch zwischen den Bäumen und setzt dezidierte Farbtupfer in den November. Bevor ich das warm beleuchtete Café betrete, statte ich Chris‘ gelegentlichen Arbeitgebern Olli und Tim, also Strauß & Lemke, einen Besuch ab, besser: deren Magni Boutique Hotel am anderen Ende des Magnikirchplatzes, Am Magnitor 1. Gelegentliche Arbeitgeber deshalb, weil Chris ab und zu in deren Clubs auflegt.

Die Lobby des Magni Boutique Hotels wirkt größer, als es das hübsche Fachwerkhaus von außen erwarten lässt. Dunkel und warm beleuchtet, zwei ausgestopfte Füchse links und rechts vom Eingang, rechts der Empfangstresen, vornehm versteckt. Betriebsleiterin Suse nimmt mich – nun – in Empfang und führt mich durch die Tür über den wie die Richterskala nach oben offenen Innenhof in das Restaurant. Hier ist das Licht ähnlich gedimmt wie in der Lobby, der Boden besteht aus dunklen Dielen, rechts öffnet sich der Restaurantbereich mit blauen Polstermöbeln, stimmungsvollem Licht und dezidiert gehängten Bildern, zum Beispiel vom kürzlich erst verstorbenen Zeichner Sempé eines mit einer kuschelig auf ein Bett drapierten Katze. Links biegt sich die Theke des loungigen Barbereichs, in dem wir uns niederlassen. Ein Déjà-vu tut sich mir auf: Hier war ich schon, ich bewege mich auf vertrautem Terrain. Wir setzen uns an eines der Fenster, die zum Kirchplatz zeigen. Hier ist das Mobiliar so dunkel gehalten wie die Wände und der Boden, alles fügt sich, das Licht setzt Farbtupfer.

„Hotel und Restaurant gibt’s seit über 30 Jahren“, beginnt Suse. „Mittlerweile hat es den dritten Besitzer, Strauß und Lemke.“ Seit dem 1. April 2017 sind die beiden hier an Bord, „seitdem ist ein bisschen frischer Wind reingekommen“, freut sich Suse, die selbst schon viel länger beschäftigt ist: „Ich bin ein Urgestein hier.“ Sie begrüßt die Entwicklung, die die Einrichtung seitdem erlebte: „Die Jungs haben’s moderner gemacht, es ist loungiger.“ Zum Vergleich erwähnt sie die nun fehlenden weißen Tischdecken, die noch ein etwas anderes Publikum ansprachen. Viele Stammgäste aus jener Zeit kommen immer noch gern, so Suse, doch: „Das Publikum hat sich geändert seitdem, Tim und Olli ziehen mehr junges Publikum an.“ Auch die Küche betreffend passten die beiden Neuen einiges an: Was zuvor „gutbürgerlich-deutsche Küche“ war, so Suse, ist „jetzt deutsch-mediterran“ geworden.

Das Restaurant wirkt wie die Lobby viel größer als das Haus, wo mag sich da noch ein Hotel verbergen? „Die Hotelzimmer sind oben drüber“, deutet Suse auf die Decke der Bar und weist die Arme schwenkend in Richtung Restaurant, „die ganze lange Strecke und das komplette Hinterhaus.“ Erstaunlich! „31 Zimmer haben wir, das Hotel in Normalbestuhlung hat 42 Plätze, wenn’s ordentlich dampfen soll, geht’s bis zu 80, bei Hochzeiten 50 Leute, die kriegen wir locker unter“, strahlt sie.

Gegenüber im Riptide war Suse noch nicht, weil sie selbst so eingespannt ist. Aber Chris war schon öfter bei ihr, weil sie nämlich die früheren Öffnungszeiten hat, nimmt sie gelegentlich Pakete für ihn entgegen. „Das macht das Magniviertel aus“, schwärmt Suse. „Das ist eine Bereicherung, was sich in den letzten zwei Jahren getan hat, mit den vielen Cafés“, findet sie. Mit einem besonderen Merkmal: „Jeder macht sein eigenes Ding und keiner kommt sich in die Quere.“ Nicht nur in Bezug auf Gastronomie sei das Viertel ihr Lebensraum: „Ich habe hier meinen Frisör, ich habe hier meine Kosmetikerin“, sagt sie. „Wenn hier irgendwer im Viertel etwas braucht, geht er zum anderen, ‚haste mal ein Fass Bier‘.“ Ach, gleich solche großen Dinge, nicht das berühmte Ei oder die Tasse Mehl. Suse lacht: „Das Strupait kommt öfter wegen Eiern.“

Mit Blick auf die spärlichen wandelnden Regenschirme draußen seufzt Suse indes: „Im Winter ist hier wenig, im Sommer kannste einmal über den Platz rufen.“ Ihre Augen strahlen, wenn sie an die üppig belegte Außenbestuhlung der vielen Lokale denkt: „Da kannste nichts Anderes sagen, als dass es geil ist – der beste Platz in Braunschweig!“ Im Winter jedoch fehlen die Leute, die im Sommer mit dem Rad oder zu Fuß unterwegs sind und in den Lokalen anhalten, denn mit dem Auto zu kommen sei wegen der Anwohnerparkplätze im Magniviertel schwierig, „das ist ein bisschen Nachteil“.

Suse begleitet mich durch den verregneten Innenhof zurück in Richtung Lobby. „Wir machen donnerstags immer Winterzauber, das haben wir letztes Jahr das erste Mal gemacht“, sagt Suse mit Blick auf die Schirme und die Lichter zwischen den Fachwerkwänden im Innenhof. „Da gibt’s Glühwein und Punsch, ein bisschen Currywurst, heute Käsespätzle“, ergänzt sie. Und deutet auf einige in Töpfe gepflanzte Bäume: „Benjamin und Olivia gehen in Winterschlaf in den Blumenladen“, natürlich ebenfalls im Magniviertel, „und die Winterdeko kommt raus.“ Suse begrüßt eine Stammkundin, die mit einem Rotweinglas in der Hand im Innenhof raucht: „Es wird Winter“, stellt sie fest, denn sobald diese Kundin im Glas roten statt weißen Wein und eine Mütze aufhätte, bräche der Winter an. Die Kundin grinst und bestätigt, dass das auch den anderen Gastronomen bekannt sei: „Wenn ich mit Mütze komme, kriege ich Rotwein.“

Nun verabschiede ich mich, Suse kehrt zurück an den Empfang, ich überquere den Kirchplatz und finde einen Hocker an der Fensterseite des Riptide, zwischen den wohligwarm glimmenden Flaschenlampen. Was für ein herrlicher Platz, ich habe mit dem Rücken zum Caféraum durch den dämmerig-trüben Regen hindurch Ausblick auf die Geschäfte gegenüber, Ida & Zoe und Busenwunder, beobachte Leute, die mit Coffe-to-go-Bechern in der Hand auf dem Bürgersteig vorbeieilen, Autofahrer, die in den engen Parklücken herumkurbeln, Regenschirme, die mir kurz die Sicht nehmen, bevor deren Träger ins Riptide eintreten. Melissa nimmt meine Bestellung auf, die sie sich selbst vorsagt: Riptide-Burger mit Cheddar, Pommes und Mayo, sie kennt mich. Und dieses Mal einen Milchkaffee mit Kuhmilch. Dominik bringt das Bestellte kurz darauf: „Mangiare“, ruft er.

Viele Gäste schlendern ins Obergeschoss, da ist viel reserviert, sie gehören einer größeren Gruppe an. Mit einer Fritz-Kola als Proviant blättere ich nach dem Essen in den Platten herum und finde mit „I Am Cold“ das zweite Album von Rip Rig + Panic, der ersten Band mit Neneh Cherry, auf der auch ihr Stiefvater Don Cherry mitspielt. Prima, die nehme ich nachher zusammen mit dem zweiten Album von Dead Cross mit. Während ich stöbere, schlendert Addi an mir vorbei in Richtung Ausgang, mit Mütze und dick angezogen, er hat Feierabend. „Ich gehe nach Hause zur Familie“, sagt er nach einem fröhlichen und herzlichen Austausch.

Zurück an meinem Sitzplatz, gesellt sich Chris nach seinem Feierabend zu mir. Eigentlich, so setzt er an, habe er für dieses Jahr vorgehabt, keine Veranstaltungen zu planen, da es mit potentiellen Lockdowns zu unsicher sei, doch scheine sich die Coronalage entspannt zu haben, weswegen er genau heute eine Band anschrieb, ob sie nicht im Januar „ein Konzert hier im Laden“ spielen wolle. Die Antwort steht noch aus. „Es ist eine Band, die ich schon immer hier haben wollte, auch im alten Riptide“, sagt Chris. „Die waren noch nie in Braunschweig“, fährt er fort und betont: „Aber ich verrate den Namen nicht.“ Nun, selbst wenn wir das grandiose Programm des FBZ berücksichtigen, bleiben immer noch unzählige Bands übrig, auf die das zutrifft. „Millionen!“, sagt Chris, und nennt als erstes „Metallica“, mir fallen U2 ein. Dazu erinnert sich Chris an eine Geschichte, die in den Achtzigern in Braunschweiger Punkkreisen erzählt wurde, dass nämlich die Toten Hosen 1982 irgendwo in einem besetzten Haus in Wenden eines ihrer ersten Konzerte überhaupt gegeben haben sollen. Belege gibt es davon nicht, und auch wenn Fotos existieren sollten, seien die nicht im Internet zu finden.

Das erinnert mich daran, dass ich mal beim Launch von Google Street View von zu Hause aus in Venedig nach der überdimensionalen Hand-Skulptur auf dem Gehweg am Wasser nahe dem Markusplatz suchte, vor der ich 1996 stand, und dabei feststellte, dass sie nicht nur nicht mehr existierte, sondern dass überhaupt so gut wie gar keine Informationen dazu im Internet zu finden waren. Es gibt noch viel alltägliche Historie nachzudigitalisieren offenbar.

„Es gibt im Internet auch keine Fotos davon, wie ich dem Papst die Hand geschüttelt habe“, sagt Chris, und ich denke natürlich zunächst an einen Scherz. Doch Chris schüttelt den Kopf: 1985 oder 1986 war er auf Chorfahrt mit dem Aegidien-Chor in Rom, wo man als christlicher Sangeskreis auch den Petersplatz aufsuchte. Dort gewährte ihnen der damalige Papst Johannes Paul II. eine Audienz, ebenso der spätere Papst Benedikt XVI., der damalige Kardinal Ratzinger, der die Jugendlichen in sein Privatzimmer einlud. „Es gab Gummibärchen“, erinnert sich Chris, „und er hatte goldene Löffel mit seinem Konterfei drauf.“ Er lacht und zuckt die Schultern: „Danach bin ich ausgetreten, ich wollte lieber Fußball spielen als in einem katholischen Chor singen.“ Wie das so ist.

Und noch ein Ereignis fällt Chris ein, von dem es keine Fotos im Internet gibt: „Ich habe Banksy die Hand geschüttelt.“ Ja, klar, jetzt aber wirklich Scherz. Oder? Die Identität des Street-Art-Künstlers ist doch offiziell ungeklärt, wie kann Chris dann so einem Mann die Hand geschüttelt haben? Aber nein, ich bin geplättet, auch das ist kein Scherz: Chris beteiligte sich zum Jahrtausendwechsel mit Freunden, darunter einem weiteren Chris, dreimal als Kurator in Hamburg an der Ausrichtung des Street-Art-Festivals Urban Discipline, das nichts mit Biohazard zu tun hatte, und 2002 war auch Banksy unter den Teilnehmern. Ja, es ist Chris ernst, das war wirklich so.

2002 war Banksy vielleicht weltweit noch nicht so eine Berühmtheit wie heute, „aber in der Szene war er ein Superstar“, schwärmt Chris. Zusammen mit dem Hip-Hop-Laden MZEE vertrieb Chris mit seinem Label Pleasure Syndicate exklusiv Banksys Bücher: Drei Hefte mit Bildern hatte der Engländer herausgebracht, die gab’s dann alle bei Chris zu kaufen, und er hatte rund 400 von diesen Büchern von zu Hause aus verschickt. „Die Hefte sind heute wie vom Erdboden verschwunden“, erzählt Chris, der nach ihnen googelte und lediglich eines irgendwo angeboten fand – für 1500 Euro. „Ich hab nicht mal eins für mich selbst behalten“, ärgert er sich – nicht über den entgangenen Gewinn, sondern über die entgangene „geile Kunst“.

Und auch, wenn Chris leibhaftig Banksys Hand schüttelte: „Ich würde ihn heute nicht mehr erkennen.“ Leider. Zu diesem Festival gehörte überdies nicht nur Street Art, sondern auch Livemusik: „Breakdance, Graffiti und Rap gehört zusammen“, so Chris, und so richtete das Team auch die „Maximum HipHop Tage“ in Hamburg aus, und zwar im St.-Pauli-Stadion, mit Fettes Brot, 5 Sterne Deluxe und anderen Stars jener Zeit, „die Crème de la Crème“, sagt Chris mit vor Staunen und Begeisterung weit aufgerissenen Augen, „und wir kleinen Jungs mittendrin“. Sie hatten alle Stars, die später groß wurden, sowohl die Rapper als auch die Sprayer: „Die Galerien haben denen die Tür eingerannt.“ Chris‘ direkter Kontakt in der Graffiti-Szene war Tasek, jener öffnete ihm die Türen in das Sprayer-Paradies, zu all den Stars, die er glänzenden Auges aufzählt: „DAIM, Loomit aus München, Toast aus der Schweiz, Atome aus Australien, Seak aus Köln, Seen aus New York, einer der ersten Graffiti-Künstler der Welt, Peter Michalski, Bates aus Kopenhagen, Dare, der ist leider verstorben, André, ein französischer Graffiti-Künstler, der Strichmännchen mit Zylindern malt, Nami aus Barcelona, der malt immer Finger und Hände auf Verkehrsschilder.“ Chris bekommt beinahe Schnappatmung und überschlägt sich vor Begeisterung.

Dreimal gab es die Urban Discipline, 2000 in der Skaterhalle Thomas i Punkt, 2001 in der leerstehenden Postsortierhalle am Stephansplatz und 2002 richtig groß in der Astra-Brauerei in der Holstenstraße. Im Lichtmess-Kino zeigte das Team in diesem Rahmen einen Film der Szene-Fotografin Martha Cooper, die ebenfalls an der Schau beteiligt war, über die Anfänge des Hip Hop. Die organisierende Agentur hatte zudem für die Künstler ein Fünf-Sterne-Hotel gebucht, in dem auch Chris untergebracht war, inmitten von Business-Leuten. Unter denen ihm beim Frühstück ein unterhaltsames Malheur gelang: Der Entsafter funktionierte, indem man eine Zitrusfrucht auf das Gerät drückte und es damit in Gang setzte, was er nicht wusste, deshalb erschrak, seine Hand hochhob und seine Obsthälfte losließ – die dann vom Gerät in Rotation versetzt einige Meter weiter auf dem Tisch einiger Schlipsträger landete. „Das war mir peinlich“, lacht Chris.

Aber dafür traf er ja Banksy. Der ausschließlich mit Schal und Kapuze herumlief, erzählt Chris, obwohl ihn ohnehin jeder dort kannte. In der Szene herrsche aber ein Kodex, der es jedem verbietet, Identitäten öffentlich preiszugeben, „da redet keiner was“. 34 Künstler waren allein 2002 dabei, Chris hat noch die Kataloge, im letzten sogar Signaturen von einigen Beteiligten. Nur leider keine Originaldrucke oder Bücher mehr von Banksy, die verkaufte er alle: „Ich hätte ausgesorgt“, grinst er. Und erläutert den Kontext zum Pleasure Syndicate: „Für mich war das Punk, politische Graffiti-Künstler, und Pleasure Syndicate hat politische Bücher verkauft.“ Zusammen eben mit dem Hip-Hop-Vertrieb MZEE, dem auch ein Label angeschlossen ist, auf dem wiederum auch der Braunschweiger Rapper MC Rene veröffentlicht. Kreise und Brücken.

Wieder kehrt Chris zurück in die Astra-Halle: „Wir hingen da zwei Tage rum, die Künstler haben gearbeitet, bis die Leute kamen.“ Banksy erzählte Sachen, die Chris später in Büchern und dem Film „Exit Through The Gift Shop“ bestätigt bekam. Und er verriet Tricks, die sich andere Street-Art-Künstler dann von ihm abguckten, etwa, wie er am hellichten Tag eine Brücke bemalte: indem er im offiziellen Overall und mit Straßensperren aufkreuzte und seiner illegalen Aktion den Anstrich des Genehmigten verlieh.

Einmal wohnte Chris auch um die drei Wochen bei Das Bo. Da bekam er nämlich kein Hotelzimmer und Tasek organisierte eine Unterkunft in einer befreundeten Hip-Hop-WG, „da könnt ihr pennen“, und zu deren Bewohnern gehörte eben auch Das Bo. Der indes die ganze Zeit hinter seiner verschlossenen Tür verborgen blieb und erst gegen Ende der Zeit mal in die Küche trat, und erst dann begriff Chris, wer der bis dahin ominöse unbekannte Mitbewohner war. Er seufzt und lässt die Zeit nachwirken. Immer wieder fallen ihm Teilnehmer der Ausstellung ein, die Zwillinge Os Gêmeos aus Brasilien etwa oder der, dessen Schriftzüge aussahen wie Neonröhren, „geil, die Technik“. Chris betont: „Die haben das ursprüngliche Level Sprühdose – U-Bahn längst verlassen.“

Dazu fällt mir der Typ ein, der in Hamburg überall Smileys sprayte. Chris weiß sofort, wen ich meine: OZ, der eigentlich Oli hieß, was nur keiner an seinem Tag erkannt hat, der aus einem O, einem geschwungenen kleinen L und einem i-Punkt bestand, weshalb von ihm längst auch offiziell als OZ die Rede ist. 2014 verstarb er bei einem Unfall – beim Sprayen. „Der war eine Legende“, sagt Chris, und er lernte ihn sogar kennen, „ein verrückter Typ“, offenbar psychisch beeinträchtigt. „Der hat sich die Straßenkarte von Hamburg genommen und ist systematisch die Straßen langgefahren, alle zehn Meter: angehalten – zack – angehalten – zack“, Tag gesetzt, oder eben einen Smiley. „Die Leute gucken zu, die Polizei kommt vorbei“, OZ ließ sich nicht beirren. Er stellte sich auf den Fahrradsattel und sprühte in genau der Höhe dann sein Logo. Chris weiß: „Der hat manchmal auch richtige durchgeknallte bunte Bilder gemalt.“ Die waren noch lang in Hamburg zu sehen, womöglich sogar noch heute. Anders als die Arbeiten von Banksy: 2015 zerstörte jemand mit einer Dripping Line den „Bomb Hugger“, das letzte Werk von Banksy, das überhaupt noch in Deutschland bekannt ist. Es wird also Zeit, dass Chris sich wieder mal mit dem Londoner in Verbindung setzt. Ein Handshake sollte drin sein, mindestens!

Chris hat Feierabend, ich begleiche bei Dominik meine Rechnung und verabschiede mich noch von Melissa, dann überlasse ich mich wieder dem abendlichen Regen. Trocknen kann ich mich anschließend noch am Kamin im MokkaBär, bevor ich endgültig die Nachtruhe einläute und von Begebenheiten der zurückliegenden Wochen träume, dem Braunschweiger Filmfest etwa, bei dem ich immerhin einen Film sah, „Decision To Leave“, mit Micha, natürlich. Der Weltengeist meinte es gut mit uns: Micha schrieb mir, welchen Sitzplatz er hat, H8 nämlich, denn dieses Mal gab es erstmals keine freie Platzwahl beim Filmfest. Online guckte ich, was bei der Vorstellung noch frei war. Erste Reihe, letzte Reihe, an den vier Ecken noch etwas – und mittendrin ein kleiner weißer Fleck. Ein einzelner Sitz. Genau in der Mitte. Ich klickte ihn an: Platz H10. Mit dem Mann auf H9 wurden wir schnell einig über einen Platztausch und verstanden uns ohnehin gut mit ihm. Und der Film war auch gut.

Matthias Bosenick

www.krautnick.de
Fakebook

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