#200 Literratten

Dienstag, 21. Mai 2024

Neulich hab ich Chris gesehen, er hing im Schallplattenmuseum herum – auf einem Abzug einer Zeitungsseite mit einem Artikel, in dem es um Vinyl geht. Das Schallplattenmuseum hat seine Räume in Rautheim, und Andrea und ich waren da, als der dazugehörige Club, der eigentlich ein Verein ist, im Rahmen des Internationalen Museumstages außer der Reihe seine Sammlung zugänglich machte. Üblicherweise geschieht dies nämlich dienstags, also auch heute. Was uns vom ersten bis zum letzten Moment überaus deutlich wurde: Beim Schallplattenmuseum geht es vorrangig um Leidenschaft, tatsächlich sind da die Schallplattensammelnden – bei denen es sich nicht ausschließlich um Männer handelt – eindrucksvoller noch wahrzunehmen als die Exponate, und die sind schon eindrucksvoll, insbesondere in ihrer Menge. Meine größte Furcht vor Betreten des Museums bewahrheitete sich dann auch bei nur oberflächlichem Blick: Ich entdeckte neben den Überschneidungen vor allem die Lücken in meiner eigenen Sammlung. Schlimm!

Vor dem Eingang begrüßten uns zwei Vereinsmitglieder und wiesen uns sowohl auf die Sonderausstellung mit den 20.000 Platten vom NDR als auch auf die gegrillten Würstchen und den Kuchen hin, die es nebenan zu verköstigen gab. Im Eingangsbereich wies man uns ins Obergeschoss, dort gelangten wir in die Ausstellung. Es war wie eine Zeitreise: Im ersten Raum bestimmten Schellack- und 7“-Platten nebst authentischen Abspielgeräten wie Grammophon, Musiktruhe oder Kneipen-Jukebox die Exponate, der zweite Raum war wie in den Sechzigern eingerichtet mit beigen Möbeln und Nierentisch und der dritte wie in den Siebzigern, mit psychedelischer Tapete, passenden Stehlampen und bauchigen Fanta-Flaschen. Die LP-Sammlung, das Herz des Museums, erstreckte sich auf die zwei letzten Räume. Wir hatten sofort freundliche Begleiter, die uns alles erklärten, etwa: Die Sammlung ist nicht nach Genres sortiert, sondern alphabetisch, von Lee Aaron bis ZZ Top. Man darf sich alles auf bereitgestellten Plattenspielern anhören, nur nicht wieder einsortieren, das übernähmen die Vereinsmitglieder. Die tatsächlichen Werte der Exponate sind dem Verein egal: Und wenn eine Platte in einem Kursbuch mit einem dreistelligen Betrag ausgewiesen ist, kommt sie trotzdem einfach ins Regal und die zweitwertvollste Kopie davon, die immerhin noch einen zweistelligen Betrag wert ist, in die Flohmarktkisten. Die werden zwar mit Dopplungen bestückt und zum nächsten Mal am 15. Juni für potentielle Kunden geöffnet, doch da es sich bei dem Club ja nun um einen Verein handelt und der keine Gewinne erzielen darf, gibt man lediglich einen Richtwert vor und nimmt Spenden nach eigenem Ermessen entgegen. Da kann eine 50-Euro-Platte schon mal für 1,50 weggehen – und das ist dann auch gut so.

Auf fällt, dass die Museumsbetreibenden zwar grundsätzlich geneigt sind, ihre Besucherschaft zu siezen, dass Andrea und ich aber offenbar in eine Übergangsmenge gehören: Vorsitzender Uwe duzte uns gleich und vergrößerte damit das Zuhausegefühl in diesen wie Wohnungen eingerichteten Räumen, ein Kollege schwankte zwischen beiden Anredeformen hin und her. Jener nämlich, der uns über die Treppe in der benachbarten Bücherei durch den Keller führte, bis weit hinein in die Eingeweide des Vereins: Den Raum mit den 20.000 NDR-Platten bekamen viele zu sehen; dort zeigte er uns unter anderem die Stempel, die besagten, wie oft eine Platte gespielt wurde – die Mehrzahl lediglich einmal, „zum Digitalisieren“, wie unser Begleiter mutmaßte. Die Platten waren sämtlichst in einem derart verheerend guten Zustand, dass ich mich abwenden musste, um nicht heimlich den Jutebeutel auszupacken, um ausgewählte Stücke dort hinein und daheim damit meine Lücken zu stopfen.

Der Sammler führte uns anschließend in den nächsten Raum gegenüber, in dem der Verein kurz zuvor begonnen hatte, eine Sammlung mit Platten vom DDR-Staatslabel Amiga zu sammeln. In den weiteren Regalen, die der Verein wie große Teile der Platten gespendet bekommen hatte, standen Platten der Kategorie VoMu – Volksmusik – herum, außerdem solche mit schlüpfrigen Inhalten. Klassik, sagte man uns oben noch, nehme man gar nicht mehr an, damit könnte der Verein ein eigenes Museum eröffnen. Unser Vereinsmitglied nun zückte sein Schlüsselbund, öffnete eine Verbindungstür und lotste ausschließlich uns beide in drei weitere Kellerräume, in denen der Verein zudem seine überdimensionalen Holz-LPs einlagert, die er zum Schoduvel an einem Trecker-Frontlader anbringt. Im ersten Raum stapelte ein Kollege seine Schellack-Sammlung, im zweiten ein anderer Hörspiele – bei einigen Drei-Fragezeichen- und Fünf-Freunde-Platten musste ich einmal mehr meine Finger zügeln – und im dritten fanden sich die Flohmarktkisten und die Neuexponate, die einer der Kollegen sortiert. Als er uns zurück ins Erdgeschoss begleitete, standen wir wieder im Foyer – wir hatten den Gebäudekomplex unterirdisch unterquert.

Jüngster Zuwachs in die Sammlung, erklärte man uns oben, erfolgte, weil ein Mitte fünfzig Jahre alter „Punkhörer“ verstorben sei uns dessen neunzigjährige Eltern nicht wussten, wohin mit seinen guten Stücken. So gelangten plötzlich auch Bauhaus in die Riege aus Classic Rock, Schlager, Prog, Hardrock, Achtziger-Pop und Obskuritäten. „Ich habe mich nie mit den Sisters Of Mercy beschäftigt“, sagte uns Uwe dazu, und dass er dies nun nachholen würde. Ursprung der Sammlung waren seinerzeit tatsächlich Sammlungen gewesen, nämlich von den Clubgründern, die sich zum Musikhören getroffen und alsbald ihre Platten zusammengefügt hatten. Alles, was jetzt dazukommt, wird gespendet, wie die Punk-Sammlung, und weil dem so ist und man mithin von der Freigiebigkeit der Spendenden abhängig sei, finde sich im Museum beispielsweise noch keine einzige Platte von Metallica. Bislang.

Das Gewitter, das zwischendurch losbrach, erlebten wir im Keller, den Regenguss zum Abschied. Das waren wundervolle Stunden im Schallplattenmuseum unter freundlichen Sammlern. Hab ich nicht auch noch eine Platte, die ich der Sammlung beisteuern könnte? Eigentlich nicht, denn was ich einmal habe, gebe ich auch nicht wieder her. Aber ich kann ja mal gucken.

In dem Museum war Chris auch schon in echt, von seiner dortigen Papierversion weiß er gar nichts, erzählt er mir draußen vor dem Riptide. Aber erst gleich, erstmal ersuche ich Dennis um einen Außensitzplatz, denn ich sehe bei meiner Ankunft, dass ein Teil der Plätze noch mit angeklappten Stühlen quasi als geschlossen ausgewiesen und der andere Teil besetzt ist. „Wir sind nur zu zweit“, erklärt mir Dennis von hinter der Theke aus, zum frühen Abend hin würden sie mit einem erweiterten Kollegium diese Plätze auch freigeben. Vorerst bittet er mich, Stella zu folgen, die draußen mit mir nach einer Option für mich guckt, und wir finden eine: den Stehtisch zwischen Café-Eingang und Küchenfenster. Meine inzwischen übliche Bestellung darf ich ihr gleich mitgeben: Falafelfladenbrot, Pommes mit Mayo und Wolters.

Der Himmel ist bedeckt, aber es ist angenehm warm genug, um draußen zu sitzen. Von meinem erhöhten Sitzplatz aus habe ich den gesamten Magnikirchplatz mit den Draußengästen von insgesamt fünf Gastronomieeinrichtungen – neben Riptide noch Barnabys Blues Bar, Café Lineli, Das kleine Café und Fuchs Blau, der Küche vom Hotel Magni Boutique – im Blick. Wie schön das schon wieder aussieht, auf diese Art von Sommer habe ich mich seit Oktober gefreut, all die Schirme, Lampions, Möbel und besonders die bunten Menschen darauf. Aus der Magnikirche dringen Dudelsackklänge herüber, es ist ein Fest.

Vor zehn Tagen war ich mit Hardy und Guido im Riptide unter dem Motto Literratten verabredet, und da ich zu früh angekommen war, verbrachte ich die Wartezeit angenehm direkt vor dem Altar der Magnikirche und sah Robert dabei zu, wie er mit seinem Dudelsack um den Altar herumschritt und ihm keltische Melodien entrang. Was für ein Sound, bombastisch! Robert selbst war damit nicht ganz so zufrieden und packte vorzeitig sein Instrument wieder ein; beim jüngsten Highland Gathering in Peine, so mutmaßte er, habe sich ein Bauteil des Dudelsacks verzogen, das müsse er erst austauschen. Das ist nun offensichtlich erfolgt, denn heute höre ich ihn deutlich länger über den Platz hinweg in der Kirche proben.

Vergangene Woche erhielt ich nebenbei und in meiner eigenen Hood, in der Frankfurter Straße, einen Einblick in die Gastro-Historie des Magniviertels: Isa, der seine Frau Mehtap regelmäßig in ihrer Änderungsschneiderei & Boutique Beyaz unterstützt, erzählte, dass er noch Jukebox-Singles aus seiner Zeit als Wirt besäße. Er war nämlich sechseinhalb Jahre lang der Betreiber des Altstadtpub gewesen, dessen Stammgast Peter es 2006 aus seiner Hand übernommen – und daraus Barnabys Blues Bar gemacht hatte.

Mein Mittagessen habe ich bereits verspeist, ich widme mich gerade dem Buch „89/90“ von Peter Richter, das mir mein KrautNick-Kolumnist Onkel Rosebud aus Dresden empfahl, da genehmigt sich Chris zu seinem Feierabend einen Augenblick an meinem Tisch. In Rautheim, dahin kehre ich einleitend zurück, wuchs er auf, quasi neben dem heutigen Schallplattenmuseum, „ich hatte drei Häuser weiter meinen Kindergarten“, und auch von der Stadtbücherei hatte er einen Ausweis und lieh sich dort seine Fachliteratur aus. Daher hat Chris nicht nur thematisch eine besondere Verbindung zum Schallplattenmuseum. Dessen Termin am Sonntag hatte er zwar auf dem Schirm, war aber an dem Pfingstwochenende anderweitig eingespannt: „Ich hab mich mit 190.000 Leuten getroffen.“ Klingt nach Konzerten, und auf ein Drittel von Chris‘ Ereignissen trifft das auch zu. Zum Auftakt erlebte er nämlich AC/DC in der Veltins-Arena zu Gelsenkirchen live, als nachträgliches Geschenk eines Freundes zum Geburtstag. Zwar hörte man Brian Johnsons Stimme an, dass ihr Inhaber auf die 80 zugeht, doch sei der Auftritt dennoch überwältigend gewesen, so Chris: „Am Schluss ‚For Those About To Rock‘, die Kanonen rausgeholt, die Pyrotechnik!“ Das waren die ersten 58.000 Menschen, die Chris traf.

Am Samstag überlegten er und der Freund, ob man nicht, wenn man sich schon im Ruhrgebiet aufhielt, irgendein Bundesligaspiel zu sehen bekommen könnte. Das war ja der Saisonabschluss, letzter Spieltag, und wie es der Weltengeist will, ergatterten sie noch Karten für Dortmund gegen Darmstadt, im Heimstadion mit dem signifikanten Namen Signal Iduna Park, nur echt mit Deppenleerzeichen. Das waren die nächsten 81.000 Menschen, denen Chris begegnete, besser: mit ihnen die Tribünen teilte. Er war überwältigt von der vielgepriesenen „gelben Wand“, die aus Fans besteht, die alle im BVB-Trikot zum Spiel kommen, und von der immens großen Stehplatztribüne, in die allein sämtliche Besucher des heimischen Eintracht-Stadions passen würden. An dem Tag absolvierte Marco Reus auch noch sein Abschiedsspiel, Dortmund gewann 4:0 und alle 81.000 Menschen sangen für den Dortmunder Kicker. „Ich hatte Tränen in den Augen“, erzählt Chris, „obwohl ich Eintracht-Fan bin.“ Dann kamen der Sonntag und die nächsten 48.000 Begegnungen: Chris reiste gen Süden, nach Kaiserslautern, um das letzte Saisonspiel der Eintracht mitzuerleben. „Ich habe viele Braunschweiger Freunde getroffen“, erzählt er, denn immerhin 3500 Fans von der Oker waren auf dem Betzenberg dabei. „Was ein Ritt“, schließt Chris die Rundreise.

Inzwischen ist die Zeit vorangeschritten und der von Dennis angekündigte Personalzuwachs trifft ein: Charlotte, Dominik und Isabell schlendern an unserem Tisch vorbei und begrüßen Chris und mich. Wir blicken über die Freisitzfläche hinweg, die für das Riptide seit dem 1. Mai geöffnet ist, und genießen den sommerlichen Trubel vor der Kirche. „Wir hoffen auf Bombenwetter“, sagt Chris mit den sechs Wochen Dauerregen und dem Sturzbach im vergangenen Jahr in Erinnerung. Und er kündigt an: „Wir haben zum ersten Mal im Sommer eine Veranstaltung!“ Am 29. Juni nämlich, „etwas Besonderes, sie haben schon dreimal angefragt, das kriegen wir hin, das sind Freunde von uns“, sagt Chris. Und zwar holen Monokain ihre im vergangenen Jahr für die Walhalla anberaumte und bedauerlicherweise ausgefallene Record-Release-Party für ihr Debütalbum „Fantastic Out Of This World“ nach. An einem Samstag auch noch: „Wir brechen zwei Tabus mit denen“, lacht Chris. Aber der Sommer geht ja auch erst los. „Der Mai ist ein Testmonat“, sagt Chris, das neue Personal wird eingearbeitet, dann kann das Riptide „durchstarten, wir hoffen auf einen richtig tollen Sommer“.

Erst gesellt sich Nicals kurz an unseren Tisch, um sich doch besser einen Sitzplatz zu sichern, dann tritt Max an unser Gastromöbel heran, schon äußerlich erkennbar als Teilnehmer am Stammtisch von Rude Revolution, der antifaschistischen Ska-Gruppe, die Konstantin initiierte. Max fragt nach der Stammtisch-Fahne, Chris erklärt ihm, wo im Ritpide sie aufbewahrt wird, und Max holt den Wimpel aus dem Café. Dienstags, so berichtet Chris, treffen sich in unterschiedlichen Frequenzen drei Stammtische, heute sind alle drei anwesend, neben Rude Revolution noch die Partei Volt und „die Stricker“, wie Chris sie nennt, die Gruppe, die sich zum Stricken trifft, um gemeinsam Englisch zu sprechen. Chris verabschiedet sich nun in seinen Feierabend, ich lasse mir von Dominik noch ein Bier bringen und setze meine Lektüre von „89/90“ fort. Bevor es auch für mich Zeit wird, den Hut zu nehmen, geselle ich mich noch für einen Augenblick zu Rude Revolution, direkt neben Konstantin ist noch ein Platz frei. Endlich war ich auch einmal Teil dieser freundlichen Runde, wenn auch nur kurz und auch noch als Langhaariger, wie Konsti lachend feststellt.

Meinen Heimweg absolviere ich im einsetzenden Regen, aber das ist nicht schlimm. Ich komme an Claras vorbei, dem Friseur, bei dem ich meinen Riptide-Besuch heute startete, als neuem Nachbarn des Cafés, das inzwischen auch schon seit vier Jahren im Magniviertel ansässig ist. Claras ist in der Langedammstraße 10 gelegen und in einem spitz zulaufenden, abgerundeten Gebäude untergebracht, dessen äußere Form sich im Inneren fortsetzt: Der Salon ist wie ein liegendes V aufgeteilt. Von links nimmt mich Gabi in Empfang, die Inhaberin, die also gar nicht Clara heißt, und geleitet mich nach hinten in die Teeküche, in der ihre Kollegin Lorenza am Tisch einen Apfel schält. Clara war der Name von Gabis Oma, den wählte sie 2006 für ihren Salon „als schönes Andenken“ an sie. „Es ist schwierig, einen Namen für einen Frisörladen zu finden“, sagt Gabi. Mit einer Kollegin hatte sie den Salon „Haarscharf“ betrieben, doch nach der Trennung den Namen nicht übernehmen können. Also war die Namenssuche losgegangen. „Mein Ex-Mann fragte: Wer ist deine Lieblingsoma?“, erzählte Gabi. So richtig zufrieden war sie mit „Clara“ zunächst zwar nicht gewesen, hatte sich aber überzeugen lassen und ist heute mehr als glücklich damit.

„Wir sind ein Team von fünf Leuten, das schon sehr lange besteht“, fuhr Gabi fort. Lorenza nickte: „Wir haben damals auch zusammengearbeitet, das ist Zufall!“ Damals, das war in der Ausbildung, die sie beide bei einem Salon in Wolfsburg absolviert hatten. Lorenza ist nämlich Wolfsburgerin, Gabi aus der Gemeinde Lehre, und wir drei versanken sofort in Wolfsburgschwärmerei. Lorenza berichtet von der besten Pizza in der Pizzeria, in der ihre Mutter gearbeitet hatte und die es nicht mehr gibt, aber dafür die Pizza im vorübergehend wegen eines Wasserschadens geschlossenen Salentino, die sie und Gabi sehr mögen. Dem stimmte ich zu und berichtete von Tanos und Jakupi bei mir um die Ecke sowie dem Speisewagen Pizza Sud Italia, den Andrea und ich am Freitag erstmals begeistert ausgestestet hatten und von dem Lorenza wusste, dass er vor Edeka in der Juliusstraße steht.

Aber jetzt ging es ja ums Magniviertel, von dem Gabi als Standort schwärmt: „Es ist optimal, das ist die Altstadt!“ Zwar habe der Salon „gelitten unter dem Schloss“, weil dadurch die Magniviertel-Laufkundschaft umgeleitet worden war, und auch die Schließung von Galeria Kaufhof sei ein Einschnitt gewesen; „ich bin gespannt, was da reinkommt, vielleicht Ikea“, lachte sie. Und stellte fest, dass sich die Situation inzwischen stabilisiert habe. Auch die Gemeinschaft im Quartier sei bemerkenswert, stellte Gabi fest, und erzählte von einer Aktion, „da haben sich alle selbständigen Frauen aus dem Magniviertel in einem Kochstudio getroffen“, immerhin 17 von 24 waren gekommen, „das ist viel“. Das könne gern erneut passieren: „Das ist eine nette Atmosphäre gewesen“, sagte sie, „man kam ins Gespräch.“

Bei Claras handele es sich um einen „klassischen Frisör“, erläuterte Gabi, „wir schneiden außer Hunden allen die Haare“. Das warf Fragen auf: Hatte es diese Anfrage denn schon einmal gegeben? Sie lachte und winkte ab: „Das haben wir früher öfter gesagt.“ Lorenza, die ihren Apfel verspeist hatte, fiel ein, dass Gabi mit einer Kollegin aus dem Team bereits seit 32 Jahren zusammenarbeitete und mit einer anderen die Meisterschule gemacht hatte und die dann ebenfalls in Claras untergekommen war: „Ein ganz altes Team.“ Gabi stimmte zu und ergänzte: „Wir sind auch mehr Freunde als Kollegen, ich bin keine typische Chefin.“ Lorenza nickte: „Das stimmt – und trotzdem haben wir Respekt vor dir!“

Lorenza musste das Gespräch abbrechen und sich einer Kundin widmen, deren Färbung sie auszuspülen hatte. Einen Bezug zum Riptide, damit schlossen wir ab, hatte Gabi noch nicht anzubieten, weder als Plattensammlerin noch als Kaffeegast, „und bei Veranstaltungen bin ich nicht da“, schließlich wohne sie außerhalb von Braunschweig. Wir verabschiedeten uns herzlich und ich spazierte weiter ins Riptide.

Und nun nach Hause. Es regnet, und als ich abermals bei Mehtap und Isa vorbeikomme, beobachten die beiden gerade Krähen dabei, die einen verletzten Artgenossen dadurch zu schützen versuchten, dass sie sämtliche Passanten, auch solche auf Fahrrädern und E-Scootern, attackierten. Einmal mehr schwärmt Isa von seiner Zeit als Wirt im Magniviertel, aber jetzt wollen die beiden in ihrem Garten noch etwas entspannen. As geht auch bei Regen. Einen schönen Feierabend!

Ach ja: Dies ist mein 200. Eintrag im Riptide-Blog. Seit 200 Monaten mache ich das also, beginnend einen Monat nach der Eröffnung des Café Riptide, die am 16. September 2007 im Handelsweg stattfand. Mehr als sechzehneinhalb Jahre ist das nun her, mehr als sechzehneinhalb Jahre lang spreche ich mit dem Riptide-Team, den Nachbarn, den Künstlern und euch, den Gästen. Danke für eure Offenheit, für die vielen Geschichten und für die Zeit, die ihr mit mir verbringen mögt. Ich bin jetzt schon wieder gespannt auf den Eintrag Nummer 201!

Matthias Bosenick

www.krautnick.de
Fakebook

4 Kommentare

  1. schepper

    moin matze,

    gratuliere zum 200ten blog 🙂
    danke für deine tollen momentaufnahmen aus all den jahren.

    heute krieg ich immer n büschen heimweh nach braunschweig wenn ich deinen blog lese…

    auf die näxten 200 🙂

    bässte grüße
    schepper

    • Matthias Bosenick

      Danke, lieber Schepper!
      Hast du mal gezählt, in wie vielen du vorkommst? 🙂
      Viele Grüße
      Matze.

  2. Adeltraud Sch.

    Hallo Matze, meinen Glückwunsch und Respekt zum 200. Eintrag!
    Du hast keinen einzigen Monat ausgelassen und schreibst immer noch so anschaulich, als wäre man dabei. Auf diesem Wege lernt man auch die Umgebung vom Magni-Viertel kennen 🙂
    Nun weiß ich auch, wo Rautheim liegt. ..
    Gerne erinnere ich mich an unser Kaffee-Tee-Trinken im alten Riptide. Liebe Grüße!

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